Mitarbeitergespräch vorbereiten – 9 Tipps für Führungskräfte

Aus meiner eigenen Zeit im Top-Management und nach über 30 Jahren Führungskräfte-Coaching weiß ich: Mitarbeitergespräche sind eines der wertvollsten Führungsinstrumente überhaupt. Vorausgesetzt, sie werden richtig vorbereitet. Anderenfalls verkommen sie zur reinen Alibi-Veranstaltung, auf der Sie nach Schema X Frage nach Frage abhaken – und am Ende kaum Konsequenzen gezogen werden. Ich bin ehrlich: Das kostet nur Zeit. Und niemand hat etwas davon. Sie nicht. Ihr Unternehmen nicht. Und schon gar nicht Ihre Mitarbeiter.
Umso wichtiger ist es, dass Sie sich im Vorfeld Gedanken über die anstehenden Gespräche machen und jedes Mitarbeitergespräch (individuell!) vorbereiten. Nur so können Gespräche Impulse setzen, die Ihre Mitarbeiter – und letztlich Ihr Unternehmen als Ganzes – voranbringen. In diesem Beitrag gebe ich Ihnen 9 bewährte Praxis-Tipps für eine zielführende Vorbereitung von Mitarbeitergesprächen als Führungskraft an die Hand.
Inhaltsverzeichnis
- Erstellen Sie Leitfäden, keine starren Vorlagen
- Notieren Sie offen formulierte Fragen
- Holen Sie sich Hintergrundinformationen ein
- Bereiten Sie sich auf Gehaltsverhandlungen vor
- Sorgen Sie für den richtigen Rahmen
- Jahresgespräch: Erstellen Sie einen Fragenkatalog
- Konfliktgespräch: Bereiten Sie Lösungsvorschläge vor
- Beurteilungsgespräch: Formulieren Sie klare Kriterien
- Zielvereinbarungsgespräch: Halten Sie sich an die SMART-Formel
1.) Erstellen Sie Leitfäden, keine starren Vorlagen
Keine Frage, Sie sollten jedes Mitarbeitergespräch vorbereiten – und zwar gründlich. Dafür dürfen und sollen Sie sich Notizen machen. Etwa zu Fragen, die Sie unbedingt stellen wollen. Auch Gesprächsguidelines, die die anstehenden Gespräche im Vorfeld in inhaltliche Abschnitte gliedern, sind sinnvoll. Kurz: Sie sollten sich einen Leitfaden für Mitarbeitergespräche erstellen, der Ihnen Orientierung gibt. Nicht mehr. Allzu starre Vorlagen und Muster sind meiner Erfahrung nach eher kontraproduktiv. Denn jeder Mitarbeiter ist verschieden – und jedes Gespräch verläuft anders. Folgen Sie einer wie auch immer ausgearbeiteten Checkliste, ist die Gefahr groß, dass Sie gerade die Themen abwürgen, die Ihren Mitarbeitern wirklich unter den Nägeln brennen. Und das sind im Regelfall genau die Herausforderungen oder Wünsche, die das größte Potenzial entfalten könnten. Für Ihre Mitarbeiter. Für Ihr Team (und damit auch für Ihre Performance). Für Ihr Unternehmen.
2.) Notieren Sie offen formulierte Fragen
Wenn Sie als Führungskraft ein Mitarbeitergespräch vorbereiten, notieren Sie sich – abhängig vom konkreten Anlass – sehr wahrscheinlich eine ganze Reihe von Fragen. Diese sollten Sie allerdings nicht so formulieren, dass Sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können. Besser sind offen formulierte Fragen. Warum? Weil Sie den Grundstein für einen echten Dialog legen – und die Antworten nicht von vorneherein in eine bestimmte Richtung lenken.
Nehmen wir an, Sie fragen Folgendes: „Empfindest du die Einführung des neuen CRM-Systems derzeit als deine größte Herausforderung?“ Ist die Einführung derzeit tatsächlich herausfordernd, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Mitarbeiter einfach mit „Ja“ antwortet. Denn die (seitens der Führungskraft erwartete) Antwort steckte ja bereits in der Frage. Fragen Sie stattdessen lieber: „Was ist derzeit deine größte Herausforderung, die dir das Arbeitsleben schwer macht?“ Jetzt dürfte die Antwort wesentlich differenzierter ausfallen. Etwa so: „Hm, inhaltlich ist die Einführung des neuen CRM-Systems echt herausfordern. Am meisten beschäftigt mich aber ehrlich gesagt der Dauer-Clinch mit unserer neuen Mitarbeiterin Renate. Sie eckt wirklich immer an und meint, dass wir alle nach ihrer Pfeife tanzen müssen. Ihre Art kostet mich einfach so viel Energie. Und da geht es nicht nur mir so.“ Plötzlich kommt ein ganz anderes Problem zum Vorschein. Eines, das die Stimmung drückt und langfristig sehr wahrscheinlich die Performance im gesamten Team beeinträchtigt. Da scheint ein Konfliktgespräch angeraten, das Sie bis dato gar nicht auf dem Schirm hatten.
3.) Holen Sie sich Hintergrundinformationen ein
Gerade, wenn Sie neu als Führungskraft in einer neuen Rolle oder einem anderen Unternehmen anfangen, kennen Sie Ihr Team noch nicht besonders gut. Bevor Sie die ersten Mitarbeitergespräche führen, sollten Sie sich daher Hintergrundinformationen einholen. Etwa bei Ihrem Vorgänger – oder bei Kollegen, die Ihr Team bereits kennen. Aber auch die Business-Profile (LinkedIn und XING) Ihrer Mitarbeiter sind eine gute Anlaufstelle, um mehr über deren Wünsche, Herausforderungen und Arbeitsalltag zu erfahren. Auf diese Weise haben Sie schon eine grobe Vorstellung, um welche Themen sich das folgende Gespräch drehen könnte – und können dieses einfacher in produktive Bahnen leiten.
4.) Bereiten Sie sich auf Gehaltsverhandlungen vor
„Wo wir schonmal hier zusammensitzen, wollte ich nochmal mein Gehalt ansprechen. Ich bin ja jetzt schon zwei Jahre dabei. Und jetzt bekommen wir ja bald Nachwuchs und die Inflation und…“ Viele Mitarbeiter sehen angesetzte Gespräche als gute Möglichkeit, ihr Gehalt nachzuverhandeln. Auch dann, wenn gar kein Gehaltsgespräch angesetzt war, sondern das Mitarbeitergespräch eigentlich einen ganz anderen Anlass hatte. Darauf sollten Sie vorbereitet sein.
- Wenn Sie das Gespräch vertagen möchten: Sagen Sie klipp und klar, dass Sie sich bei diesem Gespräch auf den vereinbarten Anlass konzentrieren möchten. Nennen Sie aber bereits einen Zeitraum (idealerweise sogar einen Termin) für ein Gehaltsgespräch.
- Wenn Sie Zeit für ein Gehaltsgespräch haben: Notieren Sie sich im Vorfeld, wie wertvoll der Mitarbeiter für Ihr Team und Ihr Unternehmen als Ganzes ist. Auf diese Weise können Sie Spielräume für Gehaltserhöhungen besser einschätzen. Und haben eine Argumentationsgrundlage, um überzogene Anforderungen zurückzuweisen.
5.) Sorgen Sie für den richtigen Rahmen
Ich kenne viele Top-Führungskräfte, die Ihre Mitarbeiter regelmäßig in Ihr eigenes Büro einladen, um Mitarbeitergespräche zu führen. Für Sie als Führungskraft mag das die unkomplizierteste Lösung sein. Ihre Mitarbeiter fühlen sich in Ihrem Büro aber selten richtig wohl. Mitunter kommt das unangenehme Gefühl auf „ins Büro des Rektors“ zitiert worden zu. Das Machtgefälle zwischen Ihnen als Chef und Ihrem Mitarbeiter als Angestellter wird so besonders deutlich – egal, wie flach die Hierarchien in Ihrem Unternehmen auch sein mögen. Die Atmosphäre ist daher oft angespannt, was einen offenen Dialog auf Augenhöhe schwierig macht.
Besser ist es daher, in der Vorbereitung auf das Mitarbeitergespräch einen neutralen Ort zu finden. Das kann die lockere Lounge-Ecke im Büro sein. Aber auch gerne das gemütliche Café um die Ecke.
6.) Jahresgespräch: Erstellen Sie einen Fragenkatalog
Im jährlich einmalig stattfindenden Jahresgespräch ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Das heißt: Hier sollten Sie die Inhalte aller vorangegangener Entwicklungsgespräche parat haben. Bei der Vorbereitung gehen Sie daher sämtliche Notizen und Gesprächsprotokolle durch, die Sie angefertigt haben. Um für das wichtige Jahresgespräch gerüstet zu sein, bietet es sich an, einen (dreigeteilten) Fragenkatalog anzufertigen. Dieser könnte beispielsweise so aussehen:
Rückblick
- Was hat in den letzten 12 Monaten besonders gut geklappt?
- Was waren Ihre größten Erfolge?
- Welche Ziele konnten Sie im vergangenen Jahr erreichen?
- Was waren Ihre größten Herausforderungen?
Ist-Situation
- Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer jetzigen Arbeitssituation?
- Welche Probleme bedürfen derzeit einer Lösung?
- Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Effizienz Ihrer Arbeit zu steigern?
Entwicklung
- Was soll im kommenden Jahr passieren?
- Welche persönlichen beruflichen Ziele haben Sie?
- Wie lassen sich Ihre Ziele am besten erreichen?
- Möchten Sie bestimmte Weiterbildungen in Anspruch nehmen?
Auch hier gilt wieder: Sehen Sie den Fragenkatalog als Leitfaden – und nicht als starre Vorlage, von der unter keinen Umständen abgewichen werden darf.
7.) Konfliktgespräch: Bereiten Sie Lösungsvorschläge vor
Konfliktgespräche sind immer heikel – und die Scheu davor verständlicherweise groß. Trotzdem sind die Gespräche essenziell, denn schwelende Konflikte vergiften die Stimmung im Team – und darunter leidet eher früher als später die Performance. Die gute Nachricht: Oft können Sie Konfliktgespräche schon allein dadurch in eine produktive Richtung lenken, indem Sie – auf Augenhöhe – konkrete Lösungsvorschläge präsentieren. Essenzieller Teil der Vorbereitung ist es daher, die jeweilige Situation zu analysieren und eine Lösungsstrategie auszuarbeiten.
8.) Beurteilungsgespräch: Formulieren Sie klare Kriterien
Jedes Beurteilungsgespräch verläuft individuell. Die Maßstäbe, die Sie an Ihre Mitarbeiter anlegen, sollten allerdings gleich sein. Schon allein, um persönliche Präferenzen nicht Ihr Urteilsvermögen trüben zu lassen – und dadurch für böses Blut im Team zu sorgen. Bewährt hat sich bei der Beurteilung die folgende grobe Struktur:
- Passt der Mitarbeiter – ganz allgemein – zu Ihren Plänen? Stimmen dessen Arbeitsmoral und Wertevorstellungen?
- Hat der Mitarbeiter auch die Fähigkeiten, Ihre Pläne umzusetzen?
- Hat der Mitarbeiter den Willen, gemeinsam mit Ihnen und dem gesamten Team das Unternehmen voranzubringen?
9.) Zielvereinbarungsgespräch: Halten Sie sich an die SMART-Formel
Stehen Zielvereinbarungsgespräche an, leistet Ihnen die SMART-Formel bei der Vorbereitung auf die Mitarbeitergespräche gute Dienste. SMART steht dabei für:
- Specific (Spezifisch): Formulieren Sie Ziele klar und eindeutig.
- Measurable (Messbar): Benennen Sie Leistungskennzahlen, mit denen sich der Fortschritt messen lässt.
- Achievable (Erreichbar): Setzen Sie auf Ziele, die auch Ihre Mitarbeiter für erstrebenswert halten.
- Reasonable (Angemessen): Vereinbaren Sie (mit Blick auf die Fähigkeiten des jeweiligen Mitarbeiters) realisierbare Ziele.
- Time-bound (Terminiert): Nennen Sie eine realistische Frist, zu der Ziele (oder bedeutende Meilensteine) erreicht werden sollen.
Richten Sie Zielvereinbarungen entsprechend der SMART-Formel aus, werden die folgenden Gespräche deutlich produktiver verlaufen.
Herzliche Grüße

Gudrun Happich
PS: Ihre Mitarbeitergespräche bringen allzu oft nicht das gewünschte Ergebnis? Und Sie haben zumindest den leisen Verdacht, dass nicht Ihre Mitarbeiter das Problem sind? Dann kontaktieren Sie mich unter info@galileo-institut.de. Gemeinsam ergründen wir, woran es wirklich liegt.
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