Jahresgespräch vorbereiten und führen: Das müssen Führungskräfte wissen
Viele Führungskräfte sehen Jahresgespräche als lästige Pflicht – und haken sie nach Schema F ab. Ein Fehler, denn in einem gut vorbereiteten Gespräch können Sie die Weichen für ein ganzes Jahr stellen. Aus Erfahrung weiß ich: Im Jahresgespräch haben Sie sogar die einmalige Chance eine Vision zu zeichnen, die Mitarbeiter hochmotiviert durchs ganze Jahr tragen kann. Im Folgenden zeige ich Ihnen, wie Sie ein Jahresgespräch vorbereiten und durchführen.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist ein Jahresgespräch?Jahresgespräch vorbereiten: So geht’s
- Erstellen Sie einen individuellen Leitfaden
2.1. Zeichnen Sie eine Vision – und formulieren Sie klare Ziele
2.2. Wenn das Jahresgespräch zum Gehaltsgespräch wird - 3 Tipps für die Durchführung eines Jahresgesprächs
3.1. So überbringen Sie schlechte Nachrichten richtig
3.2. Achten Sie auf den richtigen Rahmen
3.3. Führen Sie Gespräche auf Augenhöhe – und lassen Sie Raum für Rückfragen
Was ist ein Jahresgespräch?
Während Sie Entwicklungsgespräche und Beurteilungsgespräche mehrmals pro Jahr führen sollten, wird das Jahresgespräch genau einmal im Jahr – meist am Ende oder zu Beginn – geführt. Die Inhalte des Jahresgesprächs ergeben sich daher auch aus den vorangegangen Entwicklungsgesprächen. Im Jahresgespräch ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Was ist gut gelaufen, wo gibt es Verbesserungspotenzial? Welche Ziele konnten erreicht werden und welche nicht? Und in welchen Punkten müssen Vorhaben ganz neu justiert werden?
Im Jahresgespräch haben Sie das große Ganze im Blick – und sollten sich nicht im Klein-Klein des Arbeitsalltags verlieren. Es geht nicht darum, die nächsten Wochen zu planen oder ein anstehendes Projekt zu optimieren. Vielmehr haben Sie hier die Chance, gemeinsam mit Ihren Mitarbeitenden eine ganz grundlegende Strategie zu erarbeiten und eine Marschrichtung für das kommende Jahr festzulegen. Kurz: Das ist Ihre Gelegenheit, eine inspirierende Vision zu entwickeln und Mitarbeiter auf ein gemeinsames Ziel zu verpflichten.
Jahresgespräch vorbereiten: So geht’s
Sie sollten jedes Jahresgespräch gründlich vorbereiten, denn Sie haben nur einmal pro Jahr die Möglichkeit für dieses richtungsweisende Vier-Augen-Gespräch. Die Grundlage Ihrer Vorbereitung bilden dabei stets Ihre vorangegangen Entwicklungsgespräche.
Erstellen Sie einen individuellen Leitfaden
Vor dem Jahresgespräch gehen Sie sämtliche Notizen und Gesprächsprotokolle durch, die Sie zu dem betreffenden Mitarbeiter aufgezeichnet haben. Daraus können Sie einen Leitfaden erstellen, der das folgende Gespräch strukturiert. In drei Phasen können dabei folgende Fragen beantwortet werden:
- Rückblick: Was lief in den letzten 12 Monaten besonders gut? Was waren die größten Erfolge des Mitarbeiters? Welche Ziele konnten erfüllt werden? Wo lagen die größten Herausforderungen?
- Ist-Stand: Wie ist die Zufriedenheit mit der jetzigen Arbeitssituation? Gibt es aktuell Probleme, die einer Lösung bedürfen? Gibt es Möglichkeiten, die Effizienz der Arbeit zu steigern?
- Entwicklung: Wie soll es im kommenden Jahr weitergehen? Was sind die persönlichen beruflichen Ziele – und wie lassen sich diese erreichen? Sollen Weiterbildungen in Anspruch genommen werden? Was sind die Vorstellungen des Mitarbeiters zur künftigen Karriereentwicklung?
Wichtig: Jedes Jahresgespräch ist anders. Der von Ihnen erstellte Leitfaden sollte daher auch ein solcher bleiben – und nicht zur starren Vorlage werden, die Sie nach Schema F abarbeiten.
Zeichnen Sie eine Vision – und formulieren Sie klare Ziele
Gerade in der letzten Phase eines Jahresgesprächs lenken Sie den Blick in der Regel auf die Zukunft. Der ideale Zeitpunkt, um gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern eine Vision zu entwickeln. Letztere ist eines der wirkmächtigsten Instrumente der Mitarbeitermotivation überhaupt. Denn Mitarbeiter, die einer Vision folgen, sind intrinsisch motiviert – und arbeiten aktiv daran, den bestmöglichen Platz im Unternehmen zu finden. Um Ihren Mitarbeitern bei der Entwicklung einer Vision zu helfen, sollten Sie deren Stärken und Schwächen genau kennen. Wesentlicher Teil Ihrer Vorbereitung auf das Jahresgespräch ist es, die Potenziale Ihrer Mitarbeiter herauszuarbeiten, um diese bei der Erarbeitung einer Vision unterstützen zu können.
Tipp: Meinen Klienten stelle ich im Coaching immer eine Frage, die nach meiner Erfahrung der schnellste Weg zur eigenen Vision ist: „Angenommen Sie könnten, wie Sie wollten, und Sie wüssten, es würde gelingen: Was würden Sie tun?“
Wenn das Jahresgespräch zum Gehaltsgespräch wird
Viele Mitarbeiter nutzen das Jahresgespräch, um ihr Gehalt neu zu verhandeln. Darauf sollten Sie vorbereitet sein! Das heißt: Machen Sie sich Gedanken dazu, wie wertvoll der jeweilige Mitarbeiter für Ihr Team und für das Unternehmen als Ganzes ist. Notieren Sie sich konkrete Situationen, in denen dieser Projekte vorangebracht hat. Auf dieser Basis können Sie für sich ein Gehalt festlegen, dass Sie maximal zu zahlen bereit sind – und das den Wert des Mitarbeiters ehrlich widerspiegelt.
Auf diese Weise sind Sie vorberietet, wenn das Jahresgespräch plötzlich zum Gehaltsgespräch wird – und können überzogene Forderungen gegebenenfalls begründet zurückweisen.
3 Tipps für die Durchführung eines Jahresgesprächs
Die Vorbereitung eines Jahresgesprächs ist essenziell. Aber auch die Art der Durchführung entscheidet darüber, wie das Besprochene angenommen wird. Die drei folgenden Tipps erleichtern Ihnen das Führen fruchtbarer Jahresgespräche.
1.) So überbringen Sie schlechte Nachrichten richtig
Im Jahresgespräch ist es Zeit, Bilanz zu ziehen – und auf dieser Basis das kommende Jahr zu planen. Leider haben Sie dabei nicht immer nur Angenehmes zu verkünden. Gut möglich, dass Sie im Jahresgespräch schlechte Nachrichten überbringen müssen. Sei es, weil die Performance des betreffenden Mitarbeiters hinter Ihren Erwartungen geblieben ist. Oder weil Sie eine Weiterbildung aus Budgetgründen ablehnen müssen. Beim Überbringen schlechter Nachrichten hat sich folgendes Vorgehen bewährt:
- Kommunizieren Sie klar und transparent. Machen Sie beispielsweise deutlich, warum Sie mit der Leistung des Mitarbeiters nicht zufrieden sind.
- Sollten Sie schlechte Nachrichten überbringen müssen, die nicht Ihrer inneren Überzeugung entsprechen: Stellen Sie klar, dass Sie persönlich die Leistung des Mitarbeiters wertschätzen!
- Bieten Sie Lösungsoptionen an. Auf diese Weise geben Sie auch schlechten Nachrichten einen positiven Spin – und halten die Motivation aufrecht.
Ein Fallbeispiel: Mein Klient Matthias – Partner in einem großen Beratungsunternehmen – hält große Stücke auf seinen Mitarbeiter Klaus. Der engagierte Senior Manager ist sehr zuverlässig und immer für seine Mitarbeiter und Kollegen da. Zugleich ist er eher introvertiert und zurückhaltend, ein Mensch, der „lieber legt als gackert“, wie es Matthias ausdrückt. Eben ein typischer Leistungsträger aus der zweiten Reihe.
Matthias möchte das honorieren – mit einer besseren Stelle und einem höheren Gehalt. Als er Vorgesetzten und Kollegen in der Runde von Klaus erzählt, erhält er allerdings ernüchternde Reaktion. Es fallen Sätze wie: „Mir ist er nicht aufgefallen. Wenn er gut wäre, hätte ich ihn doch auf dem Schirm.“ Am Ende ist klar: Aus der Beförderung und dem Gehaltssprung wird erstmals nichts. Im Gespräch muss Matthias Klaus die schlechten Nachrichten überbringen. Dabei bleibt er transparent und erzählt – ohne Namen zu nennen –, was passiert ist: „Klaus, ich bin total enttäuscht über das Ergebnis, ich finde es weder fair noch gerecht, aber leider sind mir die Hände gebunden. Da in der Runde die Entscheidung getroffen wird, muss ich mich daran halten.“ Es ist diese ehrliche, wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe, dank der Klaus die Hiobsbotschaft einigermaßen „verdauen“ konnte.
2.) Achten Sie auf den richtigen Rahmen
Jahresgespräche sind sehr persönlich und sollten immer unter vier Augen geführt werden. Und das idealerweise nicht zwischen Tür und Angel. Auch die Atmosphäre in Ihrem Bürozimmer empfinden viele Mitarbeiter als angespannt. (Allzu oft stellt sich das ungute Gefühl ein, ins „Büro des Rektors“ zitiert worden zu sein.)
Plätze mit einer lockeren Atmosphäre sind für zielführende Gespräche daher ungleich besser geeignet. Das können gemütliche Lounge-Ecken im Büro sein. Aber auch das nette Café um die Ecke.
3.) Führen Sie Gespräche auf Augenhöhe – und lassen Sie Raum für Rückfragen
Gerade wenn sie für ein Gespräch eine sehr detaillierte Vorlage erstellt haben, neigen Führungskräfte dazu, von oben herab zu kommunizieren. Ein Jahresgespräch ist allerdings ein Dialog und kein Vortrag. Umso wichtiger ist es, auf Augenhöhe zu kommunizieren – und den Mitarbeitern die Gelegenheit zu geben, mit Einwänden, Rückfragen und Kritikpunkten dazwischen zu grätschen. Auf diese Weise geführte Gespräche sind erfahrungsgemäß deutlich produktiver. Und dabei erteilte Ratschläge und definierte Ziele werden wesentlich bereitwilliger verfolgt.
Herzliche Grüße
Gudrun Happich
PS: Ihnen graut es jedes Jahr aufs Neue vor den anstehenden Gesprächen mit Ihren Mitarbeitern? Denn Ihre gut gemeinten Ratschläge scheinen einfach zu verpuffen? Dann kontaktieren Sie mich unter info@galileo-institut.de. Gemeinsam arbeiten wir daran, Ihre Gesprächsführung zu verbessern.
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