Beurteilungsgespräch: Inhalte, Tipps, Checkliste
Selbst gestandene Top-Führungskräfte kommen bei Beurteilungsgesprächen ins Straucheln. Entweder, weil sie ihre Mitarbeiter mit Samthandschuhen anfassen (wer äußert schon gerne Kritik). Oder, weil sie sich in den Gesprächen einseitig auf die Fehler und Schwächen des Teams konzentrieren. Dabei ist die Beurteilung von Stärken und Schwächen essenziell. Fehler im Beurteilungsgespräch rächen sich über kurz oder lang. Wer diese falsch oder nur halbherzig führt, raubt seinen Mitarbeitern die Möglichkeit zu wachsen – und gefährdet damit letztlich die Unternehmensziele. Ich zeige Ihnen, wie Sie es besser machen. Wie immer mit viel Praxiswissen aus 30 Jahren Führungskräfte-Coaching-Erfahrung.
Inhaltsverzeichnis
- Welche Inhalte hat ein Beurteilungsgespräch?
- Fallbeispiel: Wie ein Low zum High Performer wurde
- Was sind die Ziele des Gesprächs?
- Vorbereitung: Formulieren Sie klare Beurteilungskriterien
4.1. Hinterfragen Sie den Maßstab Ihrer Beurteilungen - 3 Tipps für die Durchführung
5.1. Neu im Team? Führen Sie Beurteilungsgespräche so früh wie möglich durch
5.2. Schaffen Sie die richtigen Rahmenbedingungen
5.3. Zeigen Sie ehrliche Wertschätzung - Nach dem Gespräch: Ziehen Sie Konsequenzen
- Checkliste für Ihr nächstes Beurteilungsgespräch
Welche Inhalte hat ein Beurteilungsgespräch?
Im Beurteilungsgespräch geben Sie Ihren Mitarbeitern Feedback zu deren bisherigen Leistungen und zu ihrem Verhalten im Team. Wichtig: Dabei bewerten Sie immer nur Unternehmensrelevantes und nie die Person selbst – sprich ihren Charakter, ihren Stil oder ihre Eigenheiten. Zugleich nutzen Sie die Gespräche, um Leistung und Verhalten Ihrer Mitarbeiter besser einordnen zu können – und um gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen. Wie häufig Sie Beurteilungsgespräche durchführen (monatlich, quartalsweise oder jährlich) liegt in Ihrem Ermessen.
Inhaltlich hat das Gespräch selbst drei Ebenen der Beurteilung:
- Verhalten: Wie fügt sich der Mitarbeiter ins Team ein? Wie ist der Wille zur Kooperation? Übernimmt der Mitarbeiter gerne freiwillig Verantwortung? Wie sieht es mit der Konfliktfähigkeit aus?
- Leistung: Wie ist die konkrete Performance? Arbeitet der Mitarbeiter motiviert, zuverlässig, sorgfältig? Geht er auch mal die Extrameile? Wie trägt er ganz konkret zum Unternehmenserfolg bei?
- Potenzial: Wo gibt es Verbesserungspotenzial, das einfach gehoben werden kann – etwa mit einer Weiterbildung? Wo liegen besondere Stärken bzw. Talente, die künftig besser genutzt werden können? In diesem Teil sind die Grenzen zum Entwicklungsgespräch fließend.
Wichtig: Lassen Sie auch Ihre Mitarbeiter zu Wort kommen. Jedes Beurteilungsgespräch ist ein Dialog, der auf Augenhöhe geführt wird. Empathie und Fingerspitzengefühl sind für konstruktives Feedback essenziell.
Fallbeispiel: Wie ein Low zum High Performer wurde
Man sollte meinen, dass regelmäßige Beurteilungsgespräche zum Standard in Unternehmen gehören. Ein Klient lehrte mich allerdings eines Besseren. Im Führungskräfte-Coaching erzählte er mir von einem Mitarbeiter in seinem Unternehmen, der seit Jahren einfach nicht performte – und jeder im Unternehmen wusste es. Hinter vorgehaltener Hand hieß es: „Man müsste ihn rausnehmen. Vielleicht sogar kündigen“. Mein Klient hakte nach: „Hat denn schon mal jemand mit ihm gesprochen?“ Betretenes Schweigen. NEIN, das Gespräch hatte niemand gesucht. Dem Mitarbeiter selbst war noch nicht mal klar, dass er zu den „Schlechten“ gezählt wurde.
Also übernahm mein Klient die Verantwortung und sprach mit dem vermeintlichen Low Performer. Um seinen Standpunkt zu verdeutlichen, erzählte er ihm im Gespräch die Parabel (Gleichnis) vom Pony. Ein Pony kann springen. Verdammt gut sogar. Aber es springt nur so hoch, wie es wirklich muss. Und vor schwierigen Hindernissen scheut es – ohne langjährige Dressur – zurück. Mein Klient fragte den Mitarbeiter geradeheraus, ob auch er ein Pony ist. Oder doch ein echter Könner, der mehr leistet, als er gerade eben muss. Der Einsatz zeigt – und Herz. Der über sich hinauswachsen kann. Für den betroffenen Mitarbeiter war klar: Natürlich ist er kein Pony, sondern ein Könner! Und seitdem (das Gespräch ist mittlerweile einige Jahre her) hat sich der Mitarbeiter zum High Performer entwickelt. Durch ein simples Beurteilungsgespräch auf Augenhöhe.
Was sind die Ziele des Gesprächs?
In der Regel hat ein beurteilendes Mitarbeitergespräch vier primäre Ziele:
- Sie können die Leistung des Mitarbeiters – auch im Vergleich zu früheren Phasen – objektiv bewerten.
- Sie sprechen Stärken und Erfolge gezielt an, um die Mitarbeitermotivation zu steigern.
- Sie geben konstruktives Feedback zu Schwächen und setzen Wachstumsimpulse.
- Sie können die erbrachte Leistung belohnen – indem Sie Wertschätzung zeigen. Diese kann, muss sich aber nicht in materiellen Dingen wie Boni niederschlagen.
Je nach Situation kann ein Beurteilungsgespräch auch individuelle Ziele verfolgen. Vielleicht wollen Sie feststellen, ob ein Mitarbeiter einer speziellen Herausforderung – z.B. einer Beförderung – gewachsen ist.
Vorbereitung: Formulieren Sie klare Beurteilungskriterien
Die Beurteilung von Mitarbeitern ist ein fortlaufender Prozess. Vor jedem neuen Gespräch sollten Sie allerdings, abhängig von Ihren Zielen und Erwartungen an das Team, klare Beurteilungskriterien formulieren.
Tipp: Prinzipiell können Sie Ihre Beurteilung an dieser dreistufigen Frage-Struktur ausrichten:
- Passt der Mitarbeiter – ganz prinzipiell – zu Ihren Plänen? (z.B. bzgl. seiner Wertevorstellungen und Arbeitsmoral)
- Zeigt er die Fähigkeiten, Ihre Pläne umzusetzen?
- Hat er den Willen, mit Ihnen an einem Strang zu ziehen und das Unternehmen voranzubringen?
Können Sie auch nach mehreren Beurteilungsgesprächen nicht mindestens die erste Frage mit „Ja“ beantworten, wird es Zeit über Konsequenzen nachzudenken. Aber dazu später mehr.
Hinterfragen Sie den Maßstab Ihrer Beurteilungen
Beurteilungskriterien sind für zielführende Beurteilungsgespräche wichtig. Sie sollten aber nicht in Stein gemeißelt sein. Es ist angebracht, die eigenen Kriterien regelmäßig zu hinterfragen, um Mitarbeiter nicht in einengende Schablonen zu pressen. Das nämlich kann bei konträren Meinungen auch zu Widerständen im Team führen.
Bei der Beurteilung Ihrer Mitarbeiter sollten Sie nicht Ihre eigenen Maßstäbe der Zielerreichung anlegen. Insbesondere dann nicht, wenn Sie als Vorstand oder Vorstandsvorsitzender Top-Führungskräfte beurteilen. Viel wichtiger ist es, Verhalten, Leistungen und Potenziale im Sinne des Unternehmens zu beurteilen. Bewerten Sie das WAS (das Ergebnis), nicht das WIE (die Arbeitsweise). Auf gar keinen Fall bewerten Sie die Person in ihrem SEIN.
Ein Klient brachte es gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden folgendermaßen auf den Punkt: „Wir arbeiten unterschiedlich. Doch auch, wenn sich unsere Herangehensweisen unterscheiden, bin ich sicher, dass ich Ergebnisse bringe. Und zwar die Ergebnisse, die Sie erwarten, im Sinne des Unternehmens. Daher möchte ich, dass Sie mich an den Ergebnissen beurteilen und nicht daran, wie ich sie erreichen werde.“ Dem kann ich nichts mehr hinzufügen.
3 Tipps für die Durchführung
Sobald Sie die Beurteilungskriterien und konkreten Ziele für sich definiert haben, geht es an die Durchführung des Beurteilungsgesprächs. In der Praxis haben sich dafür drei Tipps bewährt.
1.) Neu im Team? Führen Sie Beurteilungsgespräche so früh wie möglich durch
Sind Sie neu als Führungskraft in ein Team gestoßen, sollten sie die ersten Beurteilungsgespräche so früh wie möglich führen. Und zwar im persönlichen 1:1-Gespräch. Spätestens nach 30 Tagen müssen Sie wissen, wo Ihre Mitarbeiter stehen und wie Sie zu Ihren Plänen passen. Müssen Sie viele Mitglieder immer wieder zum Mitdenken anhalten? Ist das Team ein chaotischer Haufen? Oder sind Ihre Mitarbeiter schon gespannt auf neue Herausforderungen? Die Antworten auf diese Fragen entscheiden darüber, wie Sie Ihr Team entwickeln. Im Beurteilungsgespräch besprechen Sie Ihre Beobachtungen und Annahmen mit den Mitarbeitern – und reißen die künftige Marschroute an.
2.) Schaffen Sie die richtigen Rahmenbedingungen
Mitarbeitergespräche sind oft mit einem gewissen Maß an Nervosität verbunden. Für Beurteilungsgespräche, bei denen nicht selten auch die Angst vor Kritik mitschwingt, gilt das ganz besonders. Umso wichtiger ist es, während des Gesprächs eine ruhige, lockere Atmosphäre zu schaffen.
Mein Tipp: Führen Sie das Beurteilungsgespräch nicht in Ihrem Bürozimmer durch. Dabei schwingt leicht das Gefühl mit, ins Büro des „Rektors“ zitiert zu werden. Ziehen Sie sich besser in gemütliche, aber ruhige Lounge-Ecken zurück. Gibt es im Büro keine geeigneten Plätze, kann etwa ein Café ein guter Gesprächsort sein. Aber auch ein Spaziergang bietet sich an.
3.) Zeigen Sie ehrliche Wertschätzung
Sie haben die Ziele für Ihr Team fest im Blick. Gut möglich, dass Ihnen auch der Vorstand mit seinen Erwartungen im Nacken sitzt. Vermutlich liegt Ihr Fokus während des Beurteilungsgesprächs daher auf dem, was noch nicht so gut läuft. So viel vorweg: Es ist richtig und wichtig, offen und auf Augenhöhe Kritik und Verbesserungswünsche zu äußern. Allerdings nur, wenn Sie der anderen Seite der Medaille auch genügend Aufmerksamkeit widmen.
Was ich damit sagen will: Besprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern auch das, was aktuell gut läuft. Erkennen Sie ihre Erfolge an – und zeigen Sie ehrliche Wertschätzung. Gerade für Ihre Könner und Leistungsträger, die in der Regel stark intrinsisch motiviert sind, ist Anerkennung oft mehr wert als materielle Entlohnung.
Halten Sie Beurteilungsgespräche prinzipiell nur dann ab, wenn etwas schiefläuft, kann sich das extrem negativ auf die Zufriedenheit im Job auswirken. Mitarbeiter, die immer nur ihre Fehler aufgezeigt bekommen, dürften eher früher als später ein Motivationsproblem bekommen. Und Ihre High Performer, die Probleme so gut wie immer geräuschlos lösen und kaum durch Fehler auffallen, fühlen sich schlicht nicht gesehen.
Nach dem Gespräch: Ziehen Sie Konsequenzen
Nach dem ersten Beurteilungsgespräch gilt es (gemeinsame) Lösungen und Maßnahmen zu entwickeln und zu vereinbaren. In einem Folgegespräch (am besten so früh wie möglich einen Termin festhalten) klären Sie, ob die Maßnahmen erfolgreich waren oder weiter angepasst werden müssen.
Wenn Sie schon eine Weile die Führungsposition in Ihrem Team innehaben, ist es an der Zeit, Konsequenzen aus Ihren Beobachtungen und Gesprächen zu ziehen. Denn nicht immer ist jeder Mitarbeiter in Ihrem Team auch wirklich gut aufgehoben. Für die eigene innere Klarheit hilft es, Ihre Teammitglieder nach folgenden Kriterien zu ordnen:
- Bleiben: Mitarbeiter, die in der aktuellen Situation genau richtig sind, um Ihre Ziele zu erreichen.
- Behalten & fördern: Mitarbeiter, die noch etwas Unterstützung benötigen, um ihr Potenzial zu entfalten, in ihrer jetzigen Position aber gut ins Team passen.
- Versetzen: Mitarbeiter, die gut sind, aktuell aber einfach am falschen Ort sitzen. Für diese müssen Sie einen neuen Platz in Ihrem Team oder an anderer Stelle finden.
- Beobachten: Mitarbeiter, in denen Sie Entwicklungspotenzial sehen. Sie sind sich allerdings noch nicht sicher, ob sie dieses auch nutzen können.
- Ersetzen: Mitarbeiter, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht in Ihr Team passen. Wichtig: Unterscheiden Sie hier, in Mitarbeiter, die BALD ERSETZT werden müssen und in Mitarbeiter, die SOFORT ERSETZT werden müssen.
Wichtig: Haben Sie in Ihrem Team „faule Äpfel“ identifiziert, sollten Sie schnell handeln. Ansonsten leidet irgendwann die Performance des gesamten Teams.
Checkliste für Ihr nächstes Beurteilungsgespräch
In der folgenden Checkliste fasse ich alle essenziellen Punkte nochmal für Sie zusammen:
- Vorbereitung
Ich bin mir über die Ziele des Gesprächs bewusst.
Ich habe klare Beurteilungskriterien formuliert.
Ich habe den Maßstab der Beurteilung nicht an meinen eigenen Arbeitsweisen, sondern am Wohl des Unternehmens ausgerichtet. - Durchführung
Ich führe Beurteilungsgespräche regelmäßig durch. Bin ich neu im Team, innerhalb der ersten 30 Tage.
Ich habe eine lockere Atmosphäre für das Gespräch geschaffen.
Ich fokussiere mich nicht auf Fehler, sondern erkenne auch Erfolge an und drücke meine Wertschätzung aus. - Nachbereitung
Ich ziehe Konsequenzen aus meinen Beobachtungen und den Beurteilungsgesprächen.
Ich fördere meine Mitarbeiter, sodass Sie bestmöglich ins Team passen.
Ich zögere nicht, faule Äpfel im Team zu ersetzen.
Mit diesen Hinweisen, Tipps und Beispielen zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung haben Sie einen guten Leitfaden für Ihre anstehenden Beurteilungsgespräche an der Hand.
Herzliche Grüße
Gudrun Happich
PS: Sie möchten die Qualität Ihrer Beurteilungsgespräche erhöhen, um Ihr Team besser zu führen und Ihre Unternehmensziele schneller zu erreichen? Dann kontaktieren Sie mich unter info@galileo-institut.de und wir erarbeiten gemeinsam das richtige Vorgehen.
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