Als Führungskraft ein Konfliktgespräch führen: 5 Situationen aus der Praxis
Schwelende Konflikte sind kein bloßer Stimmungskiller. In den Chefetagen können sie ganze Unternehmen zu Fall bringen. Mein Plädoyer: Haben Sie keine Angst vor Konfliktgesprächen – auch wenn diese zu einer offenen Konfrontation führen. Manchmal ist ein reinigendes Gewitter genau das, was ein Team braucht. In diesem Artikel zeige ich Ihnen, wie Sie zielführende Konfliktgespräche führen. Anhand von realen Fall-Beispielen aus 30 Jahren Führungskräfte-Coaching!
Inhaltsverzeichnis
- Darum sind ungelöste Konflikte so gefährlich
1.1. Wie Konflikte im Unternehmen entstehen - Konfliktmanagement für Führungskräfte – Best Practice in 5 Situationen
2.1. Situation 1: Widerstand aus den eigenen Reihen
2.2. Situation 2: Gespräch mit einem schwierigen Teammitglied
2.3. Situation 3: Generationenkonflikt – junge Führungskräfte, ältere Mitarbeiter
2.4. Situation 4: Konfliktgespräch bei fehlendem Commitment
2.5. Situation 5: Konfliktgespräche mit narzisstisch veranlagten Persönlichkeiten - Tipps für Ihr anstehendes Konfliktgespräch
Darum sind ungelöste Konflikte so gefährlich
Viele Menschen – und da nehme ich mich explizit nicht aus – sind überaus konfliktscheu. Nicht verwunderlich also, dass selbst neun von zehn Führungskräften Konflikten ausweichen, wo sie nur können. Das bedeutet freilich nicht, dass die Konflikte durch konsequentes Ignorieren kleiner werden. Im Gegenteil. Je länger ungelöste Konflikte schwelen desto gefährlicher werden sie. Denn sie vergiften die Atmosphäre im Team, binden enorm viel Energie und beeinträchtigen die Performance der Mitarbeiter. Völlig egal, ob es Streitigkeiten im Team, mit Kollegen aus dem C-Level, mit Kunden oder Kooperationspartnern, Investoren oder mit Vorgesetzten aus dem Vorstand gibt: Über kurz oder lang können schwelende Konflikte sogar den Unternehmenserfolg gefährden. Umso wichtiger ist es, über den eigenen Schatten zu springen, und das klärende Gespräch zu suchen. Das ist eine Ihrer zentralen Aufgaben als Top-Führungskraft!
Wie Konflikte im Unternehmen entstehen
Meiner Erfahrung nach haben Konflikte drei zentrale Auslöser:
- eine nicht erfüllte (weil nicht formulierte) Erwartung
- eine nicht geführte Kommunikation
- eine durchkreuzte Absicht
Wobei in der Regel alle drei miteinander verwoben sind. Um es noch weiter herunterzubrechen: Jeder Konflikt ist ein Beziehungskonflikt. In jeder Situation und in jeder Personenkonstellation – egal, ob es um Konflikte mit Kunden, Stakeholdern Mitarbeitern oder Vorgesetzten geht. Die gute Nachricht: Beziehungen unter Menschen sind nie statisch, sondern immer formbar. Und damit sind auch Konflikte prinzipiell lösbar – mit einem ordentlich geführten Streitgespräch.
Konfliktmanagement für Führungskräfte – Best Practice in 5 Situationen
Ich weiß, der Wunsch nach einfachen Patentrezepten für das Lösen von Konflikten ist groß. Deswegen werden auch allenthalben Schablonen, Leitfäden und Checklisten für das richtige Führen von Konfliktgesprächen angeboten. Im besten Fall bieten diese eine wertvolle Orientierungshilfe, allzu oft sind sie aber vollkommen nutzlos. Weil Konflikte nun mal immer Beziehungskonflikte sind. Das richtige Vorgehen für ein Konfliktgespräch hängt daher immer von der konkreten Situation und den beteiligten Charakteren ab. Wirklich anwendbare Hilfestellungen zum Konfliktmanagement kann ich Ihnen daher auch nur aus der Situation heraus geben. Im Folgenden werde ich fünf ganz typische konfliktgeladene Situationen beleuchten. Ich hoffe, dass Sie die Praxis-Beispiele auch auf Ihre individuelle Situation übertragen können.
Situation 1: Widerstand aus den eigenen Reihen
Gerade, wenn Sie neu als Führungskraft in ein bestehendes Team kommen, sind Konflikte nicht ungewöhnlich. Das musste auch eine Abteilungsleiterin erleben, die sich mit einer unerwartet abweisenden Haltung ihrer Mitarbeiter konfrontiert sah. Sie machte sich auf Ursachensuche – eine wichtige Voraussetzung für den zielführenden Umgang mit schwierigen Mitarbeitern. Im Zuge ihrer Nachforschungen fand sie heraus: Im Kern beschränkt sich ihr Konflikt auf eine einzige Mitarbeiterin. Wie sich zeigte, hatte sich letztere ebenfalls Hoffnungen auf die Position der Abteilungsleitung gemacht. Sie fühlte sich übergangen und ließ ihren Frust jetzt an ihrer neuen Chefin aus.
Die Abteilungsleiterin machte das einzig Richtige: Sie suchte das Konfliktgespräch und machte deutlich, dass die Stellenvergabe eine Entscheidung des Vorgesetzten war, mit der nun beide umgehen müssen. Zugleich formulierte sie glasklar, dass weiterer Widerstand garantiert nicht zum Ziel führt, sondern – im Gegenteil – auf die betreffende Mitarbeiterin selbst zurückfallen würde. Damit war der Weg für einen konstruktiven Lösungsweg gebahnt.
Sie glauben, dass Widerstand aus dem Team eher selten ist? Meine Erfahrung sagt etwas Anderes. Spontan fallen mir gleich drei ähnliche Situationen ein.
- Gegenwind bei der Vorstandsernennung: Die ehrgeizige Melanie wird vom Vorstandsvorsitzenden angesprochen, ob sie sich vorstellen könne, die nächste Vorständin zu werden. Der Vertrag der aktuellen Vorständin würde nicht verlängert – „man“ habe es ihr schon mitgeteilt. Es gibt allerdings noch viele andere Führungskräfte, die sich ebenfalls Hoffnung auf diese Vorstandsposition machen. Damit ist klar: Melanie weiß JETZT schon, dass sie mit kräftigem Gegenwind rechnen darf, sobald ihre Ernennung bekannt wird.
- Doppelte Rollenverteilung: Holger Z. wird als externer neuer Einkaufsleiter in das familienführte Unternehmen gerufen. An seinem ersten Arbeitstag wird klar: Es gibt jemanden (sein einziger Mitarbeiter), der die gleiche Aufgabenstellung und Rollenbeschreibung hat wie er. Sofort spricht er seinen neuen Chef auf diese ungünstige Situation an. Dessen Antwort: „Stimmt, ist nicht optimal, aber Sie schaffen das schon!“. Damit war das Gespräch beendet. Gelöst natürlich nicht.
- Zerstrittene Gesellschafter: In einem erfahrenen IT-Unternehmen mit insgesamt 10 Gesellschaftern waren alle so zerstritten, dass „man“ nicht mehr miteinander redete. Die Existenz des Unternehmens stand auf dem Spiel. Der Geschäftsführer kontaktierte mich damals und formulierte: „Frau Happich, wir brauchen die beste Lösung fürs Unternehmen. Auch, wenn das bedeuten sollte, dass wir das Unternehmen verkaufen müssen. So, wie es ist, geht es nicht mehr weiter.“
Situation 2: Gespräch mit einem schwierigen Teammitglied
Jessica F., Geschäftsführerin bei einer Konzerntochter, pflegte ein gutes Verhältnis zu ihrem Team. Mit einem Mitarbeiter allerdings kam sie partout auf keinen grünen Zweig. Immer wieder kam es mit dem betreffenden Vertriebsleiter – ein echter Egomane, der andere gerne in die Pfanne haute – zu Konflikten. Ihr O-Ton: „Schuld sind immer die anderen, auch wenn er es ist, der rechts, links und wirklich in alle Richtungen austeilt“.
Schließlich suchte sie das Streitgespräch – oder nennen wir es besser: den kritischen Dialog. Sie artikulierte ihre Unzufriedenheit und machte klar: „Wenn du keine Lösung findest, finde ich eine, doch die gefällt dir nicht.“ Zum Auftakt war das genau richtig – eine klare Ansage.
Gelöst wäre der Konflikt dadurch aber noch nicht, allenfalls (kurzfristig) verstummt. Gut, dass Jessica F. noch einen Schritt weiter ging. Sie band den schwierigen Vertriebsleiter in die Lösungssuche ein und fragte: „Was ist deine Idee, was ist dir wichtig? Was können wir tun, um die Situation zu verbessern, für beide Seiten?“ Am Ende gelang es, den Konflikt zu lösen, ohne dass Jessica F. bei der Verhandlung das Ruder aus der Hand gab.
Situation 3: Generationenkonflikt – junge Führungskräfte, ältere Mitarbeiter
Dass junge Führungskräfte ältere Mitarbeiter führen, kommt immer häufiger vor. Schon allein deshalb, weil der demografische Wandel voranschreitet und in vielen Unternehmen auf wenige Junge, viele Ältere kommen. Gerade bei jungen Chefs führt das schnell zu einem Generationenkonflikt. Denn einige Kollegen, die schon lange im Unternehmen sind, wollen sich von einem „Grünschnabel“ schlicht nichts vorschreiben lassen. So überrascht es auch nicht, dass sich zwei von drei Arbeitnehmern einen Chef wünschen, der älter als sie selbst ist. Wie also sollte man als junger Chef reagieren, wenn ältere Mitarbeiter bocken?
Ein Beispiel aus meinem Führungskräfte-Coaching liefert einen guten Ansatz. Vor einigen Jahren betreute ich Christian W., einen jungen Ingenieur, der als echter Senkrechtstarter früh Führungsverantwortung bei einem Hidden Champion übernommen hatte und dort schnell weiter aufstieg. Als er gegenüber dem 60-jährigen Werksleiter des mittelständischen Maschinenbauunternehmens aus dem Ruhrgebiet seine Ideen äußerte, wurde er mit einem flapsigen „Das haben wir noch nie gemacht. Und das brauchen wir auch nicht.“ abgespeist. Im nächsten Gespräch schob der Werksleiter nach: „Für solchen neumodischen Kram habe ich keine Zeit.“
Gut, dass es mein Klient dank unseres Coachings schaffte, einen kühlen Kopf zu bewahren. Denn wäre er jetzt laut geworden oder hätte den Untergebenen abgemahnt, hätten sich die Fronten vermutlich nur weiter verhärtet. Womöglich wäre es sogar zu einer Kündigung des frustrierten Mitarbeiters gekommen. Und – auch das gehört zur Realität – in Zeiten des Fachkräftemangels kann es sich kein Unternehmen leisten, fachlich gute Mitarbeiter mit Erfahrung zu verlieren! Zum Glück fanden wir im Coaching genau die richtige Strategie: Wertschätzung für die Leistung des Älteren. Er lobte den Mitarbeiter – auch im Führungskreis – für dessen „großen Erfahrungs- und Wissensschatz“. Und siehe da: Diese Würdigung nahm dem Werksleiter die versteckte Angst, überflüssig und ersetzt zu werden. Schon bald ging der Werksleiter auf meinen Klienten zu und ließ sich bereitwillig auf dessen neue Ideen ein.
Situation 4: Konfliktgespräch bei fehlendem Commitment
Nicht nur mit Untergebenen, Kollegen und Vorgesetzten, auch mit Kunden kann ein Konfliktgespräch nötig werden. Und auch hier kann es – im Sinne des Unternehmens – nötig sein, klare Kante zu zeigen.
Dazu kann ich Ihnen ein ganz persönliches Beispiel geben. Dabei ging es um nichts Geringeres als den bis dato größten Auftrag meiner Unternehmensgeschichte. Ein ganzes Vorstandsteam – sieben sehr eingespannte Personen – wollte mit mir über den Zeitraum von einem Jahr hinweg über schwierige Situationen sprechen. Es stellte sich jedoch heraus, dass fest vereinbarte Termine immer wieder verschoben wurden. Für mich ein echtes No-Go. Meine Konsequenz: In einem Gespräch machte ich deutlich, dass mir bei ihnen das nötige Commitment fehlt – und ich die Zusammenarbeit unter diesen Bedingungen nicht fortsetzen werde. Ich kommunizierte also einfach meine Werte und Überzeugungen, ohne versteckte Absicht dahinter. Wichtig war dabei auch die Art und Weise der Kommunikation. Ich äußerte das wirklich ohne Zorn und/oder Enttäuschung. Ich sagte einfach, dass ich für meinen Teil so nicht arbeiten möchte und unter diesen Rahmenbedingungen das Mandat niederlegen werde. Dieses absichtslose Kommunizieren kann Sie im Konfliktgespräch sehr schnell sehr viel weiterbringen. Denn indem Sie Rückgrat zeigen, ohne zu drohen, sorgen Sie für Klarheit – und verschleppen Konflikte nicht. Das Ende vom Lied: Die Vorstandsmitglieder sahen meinen Standpunkt ein, zeigten fortan mehr Commitment und es entwickelte sich eine für alle Seiten fruchtbare Zusammenarbeit. Ein Learning, dass Sie auch auf Ihre Beziehung zu Kollegen oder Vorgesetzten übertragen können.
Situation 5: Konfliktgespräche mit narzisstisch veranlagten Persönlichkeiten
Da sie oft begnadete Selbstdarsteller sind, sind Narzissten in Führungspositionen keine Seltenheit. Konfliktgespräche mit Kollegen, Vorgesetzten oder Mitarbeitern, die entsprechende Merkmale erkennen lassen, sind allerdings alles andere als leicht. Denn narzisstisch veranlagte Persönlichkeiten sind extrem empfindlich gegenüber Kritik. Das bedeutet: Konflikte offen anzusprechen funktioniert bei diesen Persönlichkeitstypen nicht. Im Gegenteil. Da so sämtliche Abwehrmechanismen aktiviert würden, droht der Konflikt schnell zu eskalieren. Direkte Kritik sollten Sie im Konfliktgespräch daher tunlichst vermeiden. Insbesondere, wenn es sich um Ihren Vorgesetzten handelt. Haben Sie ein Problem mit einem solchen kritiküberanfälligem Menschen, müssen Sie taktisch vorgehen. Versuchen Sie Ihre konstruktiven Lösungsvorschläge so zu verkaufen, dass Ihr Gegenüber diese als seine eigenen ausgeben kann. Und überhaupt: Verwenden Sie auf keinen Fall das Wort „Problem“. Sprechen Sie besser von „Herausforderungen“ oder „Lösungswegen“. Noch ein Tipp: Verstecken Sie Verbesserungsvorschläge in einem Blumenstrauß an Lob und Bewunderung. Denn danach gieren narzisstische Persönlichkeitstypen geradezu.
Tipps für Ihr anstehendes Konfliktgespräch
Wie das optimale Konfliktmanagement für Führungskräfte aussieht, hängt maßgeblich von der jeweiligen Situation ab. Zum Anschluss möchte ich Ihnen noch vier Tipps mitgeben, die Sie in jedem Konfliktgespräch berücksichtigen können:
- Sprechen Sie Konflikte unter vier Augen an. Denn ein Konfliktgespräch ist eine Beziehungsprobe – und die braucht einen geschützten Bereich und sollte nie in der Öffentlichkeit ausgetragen werden.
- Sprechen Sie von sich. Verwenden Sie Formulierungen wie „Ich finde oder ich fühle…“ statt „Du hast…“. So vermeiden Sie, dass Ihre Kritik als direkter Angriff gewertet wird – und die Chancen auf eine Lösung des Konflikts steigen.
- Machen Sie ein Lösungsangebot. Wer in einem Konfliktgespräch nur dem eigenen Ärger Luft macht, wird nicht weit kommen. Überlegen Sie sich im Vorfeld daher immer auch konkrete Lösungsvorschläge.
- Machen Sie fremde Konflikte nicht zu den eigenen. Mitunter werden Konflikte (z.B. unter Vorständen) nämlich einfach über Ihren Kopf hinweg ausgetragen, haben mit Ihnen selbst aber nichts zu tun. In dem Fall hilft auch kein Konfliktgespräch, denn Sie selbst sind ja keine Konfliktpartei. Daher treten Sie besser den Rückzug an, und ziehen so den Kopf aus der Schlinge.
Herzliche Grüße
Gudrun Happich
PS: Sie müssen ein Konfliktgespräch führen, haben sich aber nicht in den beschriebenen Praxis-Beispielen wiedergefunden? Dann kontaktieren Sie mich unter info@galileo-institut.de – und wir analysieren Ihre Situation gemeinsam.
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