Zwei Vollzeitstellen gleichzeitig: So managen Sie die Ausnahmesituation

„Frau Meißner, das Unternehmen braucht Sie. Sie sind einfach die Einzige, die das kann!“ „Herr Klopp, ich versichere Ihnen: Das ist alles nur vorübergehend. In spätestens drei Monaten ist die Stelle neu besetzt.“ Klingelt da was? Wenn Sie als C-Level oder Vorstand gerade zwei Vollzeit-Jobs gleichzeitig besetzen, dürfte Ihnen zumindest eine der Aussagen erschreckend bekannt vorkommen. In meinem Führungskräfte-Coaching sitzen mir immer wieder Klienten gegenüber, die nervlich am Ende sind. Weil sie eine Doppelbelastung angenommen haben, die sie so gar nicht angestrebt hatten. Aus Verantwortungsgefühl oder im guten Glauben an eine enge zeitliche Befristung. Und jetzt? Fühlen Sie sich wie im Hamsterrad.
Die gute Nachricht: Auch wenn Sie ihn gerade nicht sehen. Es gibt einen Ausweg aus der jetzigen Situation, hin zu einem Berufsleben, das Sie wieder erfüllt statt belastet. In diesem Beitrag stelle ich Ihnen 3 Praxis-Tipps vor, die sich in meiner 30-jährigen Coaching-Tätigkeit immer wieder bewährt haben.
Inhaltsverzeichnis
- 80 Stunden und mehr – Flow oder Distress?
- Zwei Vollzeit-Jobs und am Rande des Nervenzusammenbruchs? Diese 3 Tipps sorgen für Entlastung
2.1. Setzen Sie Grenzen
2.2. Machen Sie den Realitätscheck
2.3. Suchen Sie aktiv Wege aus der Überforderung - Für Entscheider: Handeln Sie jetzt!
80 Stunden und mehr – Flow oder Distress?
Extrem lange Arbeitszeiten im Top-Management sind zwar kein Muss. Ein Stück weit sind sie in den meisten Unternehmen aber normal. Und auch, dass C-Level zwei Vollzeitpositionen besetzen, kommt gar nicht so selten vor. Ein Zustand, der nicht unbedingt negativ sein muss. Ich erinnere mich noch an meine eigene Zeit im Top-Management. Als Mitglied der Geschäftsführung hatte ich zwei Vollzeitaufgaben gleichzeitig zu managen – und war damit fast rund um die Uhr am Arbeiten. Unzufrieden im Job war ich trotzdem nicht. Weil mich meine Tätigkeit erfüllte und ich gerne arbeitete. Ich war im Flow (positiver Stress). Wenn es Ihnen ähnlich geht, können Sie durchaus zwei Vollzeitstellen zufriedenstellend ausfüllen. Zumindest für eine gewisse Zeit.
Leider ist das nicht die Regel. Viel häufiger ist es so, dass Top-Führungskräfte dazu gedrängt worden sind, zwei Stellen gleichzeitig zu übernehmen. Dann bricht über kurz oder lang die Work-Life-Balance zusammen – und sie fühlen sich wie der Hamster im Rad: abgehetzt, ausweglos und fremdbestimmt. Geht es Ihnen ähnlich, erleben Sie negativen Stress, sogenannten „Distress“. Jetzt ist es allerhöchste Zeit, aktiv zu werden und das Ruder herumzureißen. Anderenfalls lauert der Burnout schon um der nächsten Ecke.
Zwei Vollzeit-Jobs und am Rande des Nervenzusammenbruchs? Diese 3 Tipps sorgen für Entlastung
Sei es aus Verantwortungsgefühl gegenüber Ihrem Unternehmen oder Chef. Weil Sie fest an eine zeitliche Befristung der Doppelbelastung geglaubt haben. Oder schlicht, weil Sie unterschätzt haben, wie hart es werden wird, zwei Vollzeitpositionen gleichzeitig zu besetzen. Wenn Sie feststellen, dass Ihnen das Wasser schon bis zum Hals steht und weiter steigt, ist es allerhöchste Zeit, die Reißleine zu ziehen. Im Folgenden gebe ich Ihnen drei Hands-on-Tipps, was Sie jetzt tun können.
1.) Setzen Sie Grenzen
Als Coach und Sparringspartner arbeite ich in aller Regel mit echten Könnern. Mit Machern, die ihr Unternehmen Tag für Tag einen weiteren Schritt voranbringen. Mit High Performern, die sich nicht in den Vordergrund drängen und „legen, ohne zu gackern“. Mit Leistungsträgern also, die abliefern – komme, was wolle. Für Unternehmen sind diese Top-Führungskräfte enorm wertvoll.
Leider werden die leisen Spitzen-Leute aber nicht nur wertgeschätzt, sondern allzu oft auch ausgenutzt. Immer dann, wenn es eine kaum zu lösende Aufgabe gibt, kommen sie ins Spiel. Immerhin eilt ihnen der Ruf voraus, jede noch so große Herausforderung handeln zu können. Oder, weniger positiv ausgedrückt, ihre Vorgesetzten wissen ganz genau, dass sie nicht „Nein“ sagen können. Daher kommt es gar nicht so selten vor, dass ihnen zwei Vollzeitstellen gleichzeitig aufs Auge gedrückt werden. Manchmal bieten sie sich sogar freiwillig für die vorübergehende Besetzung von Doppelpositionen an – ist ja im Sinne des Unternehmens. Z.B. Hanna L, sie war Mitglied der Geschäftsleitung in einem 6 TSD Mitarbeiteter großen Unternehmen. Sie wurde befördert zur Vertriebsvorständin und in einem Nebensatz fiel noch die Aussage:
„Ich weiß, das ist jetzt ungünstig, aber wir erwarten von Ihnen, das Sie sowohl die neue Vorstandsposition übernehmen, als auch die bisherige Position als Mitglied der Geschäftsleitung beibehalten und ausfüllen. Das packen Sie schon, oder?!“
Erkennen Sie sich wieder? Dann ist es höchste Zeit, dass Sie aktiv werden – und anfangen, klare Grenzen zu setzen. Das heißt vor allem: Setzen Sie Ihren Vorgesetzten eine glasklare Frist! Bis zu diesem Datum MUSS Ihr Arbeitgeber eine Lösung gefunden haben (z.B. eine der Stellen neu besetzen). Anderenfalls sind Sie weg. Bei den meisten Unternehmen wirkt dieser Druck wahre Wunder – und wie aus dem Nichts bewegt sich etwas. Aus gutem Grund. Kein Unternehmen kann es sich leisten, seine Top-Leute einfach ziehen zu lassen. Zumal Ihre Kündigung die Personalnot (Sie besetzen nicht ohne Grund zwei Vollzeitstellen gleichzeitig) noch weiter verschärfen würde.
Fallbeispiel: 3 Vollzeitstellen gleichzeitig – und das auch noch freiwillig
Als Konstantin R. vor einigen Jahren in meinem Coaching aufkreuzte, war mir sofort klar, dass es sich um einen typischen Könner handelte. Konstantin war talentiert, engagiert und wollte für sein Unternehmen etwas bewegen. Er wirkte allerdings auch aufgekratzt, völlig überdreht und abgehetzt. In unserem Gespräch zeigte sich auch schnell, warum. Der 45-jährige Bereichsleiter eines IT-Beratungsunternehmens hatte neben seiner regulären Vollzeitstelle gleich noch ZWEI weitere Führungspositionen übernommen – und besetzte damit DREI Vollzeitjobs gleichzeitig.
Diese Lösung bot er sogar selbst an – für einen Zeitraum von 3 bis 6 Monaten. Jetzt, nach 1,5 Jahren, ist aus der Übergangslösung allerdings ein Dauerzustand geworden – und Konstantin am Ende seiner Kräfte. Seine 7-jährige Tochter sieht er kaum noch. In seiner Ehe kriselt es. Und in seinem Job häufen sich die Fehler.
Im Coaching stellen wir fest: Konstantin, dem es nicht nur schwer fällt „Nein“ zu sagen, sondern der auch Konfrontationen möglichst meidet, hat sich selbst in die Opferrolle gedrängt. Gegenüber seinem Chef wahrt er seine Grenzen nicht. Und der nimmt von ihm dankend alles, was er kriegen kann. Gemeinsam erarbeiten wir Möglichkeiten, wie er sein Verhalten ändern kann. In der Folge sucht Konstantin das Gespräch mit seinen Vorgesetzten. Und siehe da: Nach nur drei Monaten konnten beide Führungspositionen, für die er „befristet“ eingesprungen war, neu besetzt werden.
In einer Sitzung fragt mich Konstantin ungläubig: „Ich glaube, ich habe die gleichen Worte wie bei den anderen Gesprächen gewählt!? Warum reagieren sie jetzt auf einmal?“ Die Antwort ist einfach: Ihm ist es das erste Mal gelungen, seine Grenzen in aller Deutlichkeit klarzumachen.
2.) Machen Sie den Realitätscheck
Dass es kein Zuckerschlecken ist, zwei Vollzeitstellen parallel zu besetzen, dürfte Ihnen klar sein. Dass es manchmal schlicht UNMÖGLICH ist, zwei Aufgaben gleichzeitig zufriedenstellend zu erfüllen, aber womöglich nicht. Immer wieder stelle ich fest, dass gerade Könner und Leistungsträger gar nicht erkennen, dass sie es eigentlich mit einer unerfüllbaren Aufgabe zu tun haben. Häufen sich im Job die Fehler, suchen Sie die Schuld bei sich. Sie fühlen sich als Versager – und arbeiten noch härter als ohnehin schon. Was wiederum zu extremer Erschöpfung und noch mehr Fehlern führt. Ein gefährlicher Teufelskreis, den Sie aber ganz einfach unterbrechen können. Fragen Sie sich:
- Gebe ich gerade mein Bestes – und trotzdem klappt es nicht?
- Wie viele Stunden müsste ich pro Woche investieren, um allen Ansprüchen gerecht zu werden?
- Könnte jemand anderes diese beiden Jobs wirklich zufriedenstellend ausfüllen?
Jetzt dürfte Ihnen ein Licht aufgehen: Sie bräuchten schon Superkräfte, um diese Herausforderung zu bewältigen. Eine Erkenntnis, die mental schon für spürbare Entlastung sorgen dürfte. Und die Sie endlich dazu befähigt, die Rahmenbedingungen in Frage zu stellen!
Fallbeispiel: eine unmögliche Aufgabe
Die bodenständige Leistungsträgerin Julia W. ist in ihrem Unternehmen für den Vertrieb verantwortlich. Ihr Chef ist begeistert von ihrer Leistung – und bietet ihr irgendwann den Bereichsvorstand an. Zusätzlich zu ihrer jetzigen Aufgabe. Überwältigt von dem großen Lob nimmt sie an. Auf Dauer wird die Doppelbelastung aber einfach zu viel. Nach 1,5 Jahren kann Julia nicht mehr. Sie fühlt sich überfordert und als Versagerin. Und bittet schließlich mich um Hilfe.
Im Coaching stellen wir schnell fest: Es ist einfach unmöglich, Julias Aufgaben zur Zufriedenheit aller (und das heißt auch: zu ihrer eigenen) zu erfüllen. So hatte sie es noch nie gesehen. Nicht sie selbst ist das Problem, sondern die Rahmenbedingungen. Was für eine Erleichterung! Zumal Sie jetzt weiß, was zu tun ist: Beim Vorgesetzten Support erbitten. Auch auf die Gefahr hin, diesen zu enttäuschen.
3.) Suchen Sie aktiv Wege aus der Überforderung
Ganz egal, wie Sie dazu gekommen sind, zwei Vollzeitstellen gleichzeitig zu übernehmen. Wenn Sie sich permanent als Führungskraft überfordert fühlen, müssen Sie aktiv werden. Immerhin geht es um Ihre Gesundheit! Ist der Druck so hoch, dass Sie das Gefühl haben, im Treibsand zu versinken, hilft Ihnen auch die Aussicht auf eine Neubesetzung Ihrer aktuellen Interimsposition in drei Monaten nichts. Sie müssen handeln. Jetzt!
Das kann bedeuten, sich für mehrere Wochen am Stück eine Auszeit zu nehmen und in Urlaub zu fahren. Selbst, wenn das für Sie bislang völlig undenkbar schien. Oder – in schweren Fällen – auch: sich vom Arzt krankschreiben zu lassen. Machen Sie sich bewusst: Eine solche Auszeit (egal, ob selbst oder ärztlich verordnet), dient nicht nur Ihnen, sondern auch Ihrem Unternehmen. Denn wenn Sie mal wieder Luft schnappen konnten, dürften Sie vieles deutlich klarer sehen. Und wieder in der Lage sein, Wege zu finden, um die aktuelle Situation nachhaltig zu verbessern.
Fallbeispiel: Wenn die Notbremse die einzig sinnvolle Option ist
Meine Klientin Anna C. war in einer absoluten Ausnahmesituation. Die Unternehmensspitze hatte den Bezug zur Belegschaft völlig verloren. Viele ihrer besten Kollegen hatten das Unternehmen daher bereits verlassen oder innerlich gekündigt. Und sie fühlte sich heillos überfordert. Unter der Woche schaffte Sie es gerade noch so zu Abend zu essen und ein wenig zu schlafen. Und auch am Wochenende gelang es ihr nicht mehr, abzuschalten. Und trotzdem: Sie zwang sich zum Weitermachen – auf Kosten ihrer Gesundheit.
Im Coaching schließlich platzte der Knoten. Sie erkannte: Wenn nicht sie die Notbremse zieht, wird es niemand tun. Sie braucht jetzt dringend eine Auszeit, um wieder auf die Füße zu kommen. Anderenfalls wird sich nicht nur ihre Gesundheit verschlechtern, sie wird auch für ihr Unternehmen keine tragende Säule mehr sein.
Für Entscheider: Handeln Sie jetzt!
Meist ist es kein böser Wille, den besten Leuten zwei Vollzeitjobs aufzutragen. Gerade bei akuter Personalnot scheint es nur logisch, dass jetzt nur die besten Pferde im Stall den Karren aus dem Dreck ziehen können. Fakt ist aber auch: Ein solches Vorgehen kann keine Dauerlösung sein. Nicht, wenn Sie Ihre Top-Leute vor dem Ausbrennen bewahren und für Ihr Unternehmen halten wollen. Daher mein dringender Appell: Schieben Sie die Lösungssuche nicht auf die lange Bank, sondern handeln Sie jetzt! Ihr Unternehmen wird es Ihnen danken.
Herzliche Grüße

Gudrun Happich
PS: Sie haben zwei Vollzeitstellen gleichzeitig angenommen – und mittlerweile steht Ihnen das Wasser bis zum Hals? Dann kontaktieren Sie mich unter info@galileo-institut.de. Gemeinsam erarbeiten wir einen Plan, der schnell für Entlastung sorgt!
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