Mikromanagement: Wege aus der destruktiven Kontrollsucht

Neigen Sie dazu, jede Aufgabe – von der Wahl der intern genutzten Kollaborations-Tools bis zur unwichtigsten E-Mail – mit Ihren Mitarbeitern abzustimmen? Sehen Sie die Eigenverantwortlichkeit im Homeoffice kritisch? Erstellen Sie gerne detailverliebte Guidelines, die wenig Raum für Flexibilität lassen? Dann ist es gut möglich, dass Sie Ihre Mitarbeiter mikromanagen – und damit in den Wahnsinn treiben. Zeit, dass das aufhört! Wie Sie Ihre Kontrollsucht in den Griff bekommen, zeige ich Ihnen in diesem Artikel.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist Mikromanagement?
- So schädlich wirkt sich Mikromanagement aus
- Die Mikromanagement-Falle
- 5 Schritte aus der schädlichen Kontrollsucht
4.1. Wechseln Sie die Perspektive
4.2. Lernen Sie Vertrauen
4.3. Lassen Sie los
4.4. Delegieren Sie Ergebnisse, keine Aufgaben
4.5. Zeigen Sie Wertschätzung - Praxisbeispiel: Mikromanager als Chef? Das können Sie tun
Was ist Mikromanagement?
Wenn es um schädliches Führungsverhalten geht, fällt ein Schlagwort eher früher als später: Mikromanagement (auch: Micromanagement). Und auch, wenn sich die Definitionsversuche im Detail unterscheiden, gibt es einige Eigenschaften, die für Mikromanager typisch sind:
- Sie reißen Aufgabengebiete an sich, die eigentlich ihre Mitarbeiter übernehmen könnten.
- Sie kontrollieren ihre Mitarbeiter ständig und legen großen Wert auf Details bei der Durchführung von Aufgaben.
- Sie produzieren unnötige Feedbackschleifen und Abstimmungen.
- Sie haben große Probleme damit, ihren Mitarbeitern zu vertrauen.
- Sie delegieren kaum – und falls doch, mischen Sie sich vor dem Ergebnis ein.
- Sie haben einen Hang zum Perfektionismus.
- Sie kritisieren Mitarbeiter, wenn Sie Aufgaben nicht auf eine ganz bestimmte Weise erledigen.
Mikromanagement ist gerade im Top-Management weit verbreitet. So soll etwa Steve Jobs ein anstrengender Mikromanager gewesen sein. Dazu passt, dass er auch psychopathische und narzisstische Züge aufgewiesen hat. Narzissten in Führungspositionen neigen dazu, viel Kontrolle und Druck auf ihre Mitarbeiter auszuüben.
So schädlich wirkt sich Mikromanagement aus
So viel vorweg: Auch pathologische Mikromanager können ein Unternehmen zum Erfolg führen. Allerdings nicht, weil sie Mikromanagement betreiben, sondern weil sie diese Führungsschwäche mit anderen positiven Eigenschaften ausgleichen. Steve Jobs etwa war ein Meister darin, große Visionen zu entwickeln und mit seinem Charisma andere für sich einzunehmen.
Insgesamt herrscht allerdings große Einigkeit darüber, dass übertriebenes Mikromanagement schadet – den Mitarbeitern, dem Unternehmen und der betreffenden Führungskraft selbst:
- Mikromanagement drückt die Stimmung im Team und demotiviert Mitarbeiter, was diese bis zur (inneren) Kündigung treiben kann.
- Kontrolle und strikte Vorgaben nehmen Mitarbeitern Entwicklungsmöglichkeiten, sodass deren Potenziale nicht ausgeschöpft werden. So können Sie kein leistungsfähiges Team aufbauen.
- Sie selbst verirren sich immer mehr im Detaildschungel und verlieren den Überblick über das große Ganze – was auch Ihre eigene Performance schmälert.
- Effektives Zeitmanagement wird für Sie immer schwieriger – und Ihre Work-Life-Balance leidet. Im schlimmsten Fall droht ein Burnout.
Je länger Ihr Team und Sie selbst unter einer übertriebenen Kontrollsucht leiden, desto stärker wird sich Ihr Führungsverhalten auch auf Ihre Ergebnisse auswirken – und damit dem ganzen Unternehmen schaden.
Die Mikromanagement-Falle
Gerade Führungskräfte, die neu ins C-Level aufgestiegen sind, laufen – ohne es zu wollen – Gefahr, zu Mikromanagern zu werden. Das liegt schlicht daran, dass sie im mittleren Management in ihren Aufgaben sehr erfolgreich waren. Werden diese alten Aufgaben plötzlich von Mitarbeitern übernommen, ist der Wunsch groß, den betreffenden Teammitgliedern die eigene Expertise zu zeigen. Leider bleibt es dabei oft nicht bei gutgemeinten Ratschlägen. Vielmehr wird versucht, die Mitarbeiter dazu zu drängen, Aufgaben genau so zu lösen, wie sie es getan haben – immerhin hat ihre Strategie ja hervorragend funktioniert. Das allerdings ist Mikromanagement und kann nicht funktionieren. Denn jeder Mensch arbeitet anders und kommt auf ganz verschiedenen Wegen zum Ziel. Am Ende geht es nur darum, dass das Ergebnis stimmt.
Einer meiner Klienten tappte in genau diese Falle. Der Entwicklungsleiter eines Maschinenbauunternehmens betreute zehn Mitarbeiter in insgesamt fünf Themenbereichen. Da er sich überall gut auskannte, erledigte er sehr viel selbst und mischte sich stark in die operativen Aufgaben seiner Mitarbeiter ein. Seinen „eigentlichen Job“ verlegte er notgedrungen in die Zeit nach Feierabend, was so auf Dauer nicht funktionieren konnte. Im Führungskräfte-Coaching arbeiteten wir daher an seinem Hang zum Mikromanagement. Und am Ende fanden wir eine gute Lösung. Aus den fünf Themen machte der Entwicklungsleiter fünf Projekte, die er an seine Mitarbeiter abtrat. Sein Job bestand im Wesentlich darin, den Überblick zu wahren und das große Ganze im Blick zu behalten.
5 Schritte aus der schädlichen Kontrollsucht
Sie merken bei sich selbst einen Hang zur Kontrollsucht? Dann sollten Sie daran dringend etwas ändern, um die schädlichen Folgen von Mikromanagement von sich, Ihrem Team und Ihrem Unternehmen abzuhalten. Wie das geht, zeige ich Ihnen in fünf Schritten, die sich in meiner mittlerweile 30-jährigen Zeit als Führungskräfte-Coach und Sparringspartner immer wieder bewährt haben.
1.) Wechseln Sie die Perspektive
Gerade, wenn Sie neu ins Top-Management aufgestiegen sind, ist ein Perspektivwechsel der Schlüssel, um nicht zum nervtötenden Mikromanager zu werden.
Machen Sie sich klar: Sie selbst befinden sich jetzt nicht mehr in der Experten-, sondern ausschließlich in der Führungsrolle. Ihre Stärke, die bislang sehr wahrscheinlich in Ihrer inhaltlichen Expertise lag, müssen Sie zugunsten von Führungsstärke aufgeben. Das heißt: Sie tragen jetzt dafür Sorge, dass Ihre Teammitglieder Ihre jeweiligen Stärken voll ausspielen können.
2.) Lernen Sie Vertrauen
Der Perspektivwechsel ist der erste notwendige Schritt weg vom Experten zur wirklichen Top-Führungskraft. Damit Sie dem Drang zum Mikromanagement wirklich widerstehen können, braucht es aber noch eine weitere Zutat: Vertrauen. Ausreden gelten hier nicht. Denn auch, wenn Sie ein eher skeptischer, kontrollierender Mensch sind, gilt: Man kann Vertrauen lernen. Indem Sie sich in Ihrem Führungsstil von Transparenz und Eigenverantwortung leiten lassen – auch, wenn es anfangs schwerfällt. Indem Sie auf Augenhöhe agieren und kommunizieren. Und indem Sie (dem eigenen Team gegenüber) auch mal Schwäche zeigen und eigene Fehler offen kommunizieren. Sie werden merken: Verhalten Sie sich so, fasst Ihr Team schnell Vertrauen zu Ihnen – was es Ihnen wiederum auch selbst deutlich leichter macht, dieses Vertrauen zu erwidern.
3.) Lassen Sie los
Sie haben die Perspektive gewechselt und eine Vertrauenskultur im Team etabliert. Dann müssen Sie jetzt nur noch eines: loslassen. Ihre Mitarbeiter einfach machen lassen. Ich weiß, auch mit einer gewissen Vertrauensbasis ist das leichter gesagt als getan. Eine achtsame Führung – die sogenannte Mindful Leadership – kann Ihnen dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen. Ich selbst habe mit Achtsamkeitstechniken gute Erfahrungen gemacht und greife auf einige Methoden auch in meinen Coachings zurück. Dazu zählt insbesondere MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction = Stressbewältigung durch Achtsamkeit) nach Prof. Dr. Jon Kabat-Zinn.
4.) Delegieren Sie Ergebnisse, keine Aufgaben
Erst wenn Sie bereit sind, Ihre Mitarbeiter wirklich machen zu lassen, können Sie auch kompetent Delegieren. Um dabei nicht in alte Muster zurückzufallen, sollten Sie sich immer klar machen: Sie delegieren keine Aufgaben, sondern Ergebnisse. Jeder Mitarbeiter hat seine eigenen Wege, um effizient zum Ziel zu kommen. Und die können ganz anders aussehen als Sie es von sich selbst gewohnt sind. Sollte das der Fall sein, machen Sie Folgendes: Sie atmen kurz tief durch. Sie machen sich einen Tee oder Kaffee – oder was auch immer Sie entspannt. Und dann tun Sie: NICHTS. Statt sich auf die Aufgabenbearbeitung zu konzentrieren, lenken Sie Ihren ganzen Fokus auf das Ergebnis. Denn das ist es, was wirklich zählt.
5.) Zeigen Sie Wertschätzung
Mikromanager neigen dazu, unnötigen Druck aufzubauen und kritisieren viel zu viel. Für die Mitarbeitermotivation ist das Gift. Bleiben Sie daher mit Ihrer Aufmerksamkeit auf den Ergebnissen – und zeigen Sie Ihren Mitarbeitern Wertschätzung, wenn diese passen. Gerade für die wirklich Guten in Ihrem Team – Ihre Könner und Leistungsträger – ist diese Art von Anerkennung oft deutlich mehr wert als ein großzügiger Bonus am Jahresende. Umgekehrt gilt aber natürlich auch: Wenn das Ergebnis nicht stimmt, dürfen, sollen und müssen Sie das ansprechen.
Praxisbeispiel: Mikromanager als Chef? Das können Sie tun
Mikromanagement als schädliche Führungseigenschaft ist auf allen Hierarchieebenen zu finden. Es ist daher sehr gut möglich, dass auch Sie sich irgendwann mit einem kontrollierenden Chef herumschlagen müssen, der Ihnen das Leben schwer macht.
So erging es auch meinem Klienten Dietmar S.: Neu in den Vorstand aufgestiegen, hatte er es plötzlich mit einem Vorstandsvorsitzenden zu tun, der sich ständig und überall einmischt. Zurecht hatte dieser den Ruf eines Kontrollfreaks erworben. Für Dietmar eine schwierige Situation, die seine Arbeit erheblich beeinträchtige. Schließlich fand er jedoch eine gute Lösung. Seine Strategie bestand aus vier Maßnahmen:
- Er schüttete den Vorstandsvorsitzenden proaktiv mit Informationen zu, um ihn beschäftigt zu halten.
- Er setzte einen wöchentlichen Jour fixe (eine Stunde) zur Abstimmung an.
- Er sorgte dafür, dass er ansonsten nur schwer für den Vorstandsvorsitzenden erreichbar war – auf nette und charmante Art versteht sich. Im Zweifel verwies er auf den festen wöchentlichen Abstimmungstermin, an dem nicht gerüttelt wurde.
- Er erfüllte seine Arbeit zufriedenstellend und lieferte Ergebnisse. Damit entzog er dem Vorstandsvorsitzenden jedwede Angriffsfläche.
Wenn auch Ihr Chef Mikromanagement betreibt, können Sie sich gerne an Dietmars Strategie orientieren. Der Mix aus Beschäftigungstherapie, eingeschränkter Erreichbarkeit bei festen Abstimmungszeiten und stimmigen Ergebnissen funktioniert bei vielen Mikromanagern sehr gut und sorgt dafür, dass Sie endlich wieder Spaß an Ihrem Job haben.
Herzliche Grüße

Gudrun Happich
PS: Haben Sie Probleme damit loszulassen und die Kontrolle abzugeben – und spüren Sie genau, dass dieses Verhalten die Ergebnisse im Team beeinträchtigt? Oder haben Sie einen kontrollierenden Vorgesetzten, der Ihnen das Leben schwer macht? Dann kontaktieren Sie mich unter info@galileo-institut.de. Gemeinsam finden wir heraus, was jetzt zu tun ist.
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