Delegieren von Aufgaben – so geht’s richtig
Das Delegieren von Aufgaben ist heute eine unverzichtbare Kernkompetenz jeder Führungskraft. Delegation bedeutet: Aufgaben, Verantwortung oder Kompetenzen an andere zu übertragen. Doch meine Erfahrung zeigt: So gut wie jede Führungskraft hat hier noch ein riesiges Potenzial zur Verbesserung – sogar Geschäftsführer und C-Levels. Während das Delegieren als Führungskompetenz früher vielleicht „Nice-to-have“ war, um Zeit zu gewinnen, ist sie heute ein „Must-have“. Erfahren Sie jetzt, wie Sie Aufgaben „richtig“ delegieren und nutzen Sie zwei Checklisten für mehr Effizienz.
- Delegieren lernen am Beispiel der Natur: der Fluss
- Wirksame Delegation: die Vorteile
- Delegieren lernen: Ein Beispiel aus der Praxis
- Delegieren von Aufgaben: die sechs «W-Fragen»
- Delegieren-Checkliste: Tipps, um leichter zu delegieren
- Das Fazit per Video
Delegieren lernen am Beispiel der Natur: der Fluss
Die Aufgabe der Führungskraft ist es, gemeinsam mit Mitarbeitern die Ziele zu erreichen – und nicht, selbst ans Ziel zu kommen. Und dazu ist die Delegation von Aufgaben einer der wichtigsten Wege. Ein wunderbares Beispiel für die hohe Kunst des Delegierens ist die Selbstregulierungskraft eines naturbelassenen Flusses.
Gemeinsam an einem Strang ziehen
Gibt es eine Störung in diesem natürlichen System, etwa weil eine Fabrik Abwasser einleitet, verfügt es über erstaunliche Selbstheilungskräfte. Hoch spezialisierte Kleinstlebewesen und Stoffwechselprozesse säubern das Wasser und lösen das Problem, um den Organismus als Ganzes nicht zu gefährden.
Gemeinsam aufs Ziel hinarbeiten
Warum funktioniert diese Selbstregulierung des Flusses so gut? Weil alle Beteiligten des natürlichen Systems Fluss ein Ziel, eine Richtung haben: das Meer. Alle Beteiligten ordnen sich diesem Ziel unter und können sich darauf verlassen, dass jeder seine Aufgabe dabei erfüllt. Dieses implizite Vertrauen macht das System verlässlich und stark.
Gemeinsam Erfolg haben
Und was die Selbstregulierung eines Flusses vormacht, funktioniert auch in einem Unternehmen. Ist das gemeinsame Ziel bekannt? Hat die Führungskraft Vertrauen in die Fähigkeiten, die Ressourcen und das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter? Dann werden sie sich an diesem Ziel ausrichten und sich dafür engagieren – und dann zahlt sich Delegieren in jeder Hinsicht aus.
Delegieren: Was der Fluss kann, können Sie erst recht
Wenn es um Delegation geht, lautet meine Empfehlung als Executive Coach an Führungskräfte auf jeder Stufe:
„Folgen Sie dem Beispiel des Flusses! Machen Sie Ihre Mitarbeiter lieber entscheidungskompetent und groß, anstatt sie durch Kontrolle klein und abhängig zu halten. Übertragen Sie ihnen Verantwortung und sorgen Sie dafür, dass jeder das tun kann, was seinen Fähigkeiten am besten entspricht. Und vertrauen Sie auf das System. Dann entfaltet es von selbst seine größtmögliche Leistungsfähigkeit. Mit den sechs «W-Fragen» und der Delegieren-Checkliste delegieren Sie in Zukunft effizienter und damit auch erfolgreicher.“
Wirksame Delegation: die Vorteile
- Wer delegiert, kann effizienter und effektiver arbeiten.
- Langfristig gewinnen Sie deutlich mehr Zeit, die sich für wichtige andere Aufgaben nutzen lässt. So können Sie z.B. die Strategie und Vision für das Unternehmen entwickeln.
- Sie konzentrieren sich auf Ihre Führungsaufgaben und fokussieren Ihre Kräfte.
- Ihre Mitarbeiter kümmern sich als Spezialisten um die Inhalte und die „beste“ Umsetzung. Sie denken mit und übernehmen Eigenverantwortung.
- Und ganz nebenbei erhöhen Sie deutlich die Motivation im Team.
Was delegieren so schwer macht
Delegation gehört zu den Kernaufgaben von Führungskräften auf jeder Stufe der Unternehmenshierarchie. Dennoch tun sich viele schwer damit. In meinen Coachings ist das eins der Standardthemen – egal, ob jemand „Führungs-Frischling“ ist oder schon zu den alten Hasen gehört. Im Grunde sind es immer dieselben drei Motive:
- Die Führungskraft möchte beste Qualität abliefern. Sie traut ihren Mitarbeitern nicht zu, die Aufgabe pünktlich und erfolgreich zu lösen. Aus Angst, es könnte schiefgehen, übernimmt sie den Job dann lieber selbst statt ihn zu delegieren – «Ich kann es ja doch am besten!»
- Die Führungskraft will ihre Alleinstellung verteidigen – nach dem Motto «Wenn ich der Beste bleiben will, muss ich eben auch alles alleine machen.» Die Führungskraft, die so denkt, befürchtet insgeheim, dass ihre Mitarbeiter an ihren Aufgaben soweit wachsen und sich so viel Know-how aneignen könnten, dass sie sie am Ende überrunden. Das ist eine verständliche Angst, die viele teilen, auch wenn sie normalerweise mit niemandem darüber reden.
- Mancher Leistungsträger, der in eine Führungsposition aufsteigt, hat sich bisher über seine Expertise definiert. Jetzt fällt es ihm schwer zu begreifen, dass sein Job nun tatsächlich in der Mitarbeiterführung besteht. Und er hat das Gefühl, dass seine eigene Leistung und seine fachliche Kompetenz im Grunde nichts mehr wert sind.
Ein Beispiel aus der Praxis
Der Entwicklungsleiter in einem Maschinenbauunternehmen erledigte tagsüber das Organisatorische, während er seine – wie er meinte – «eigentliche Arbeit» in die Zeit nach Feierabend legte. Eine Überlebensstrategie, die mir als Executive Coach sehr häufig geschildert wird.
Als Führungskraft betreute er zehn Mitarbeiter und fünf Themenbereiche. «Im Moment können Sie noch alle fünf Themengebiete selbst bedienen, weil Sie so fit sind», gab ich im Führungskräfte-Coaching zu bedenken. Ich gab den Impuls: «Wäre es nicht viel besser, daraus fünf Projekte zu machen, die Sie an Ihre Mitarbeiter abgeben?» Seine Aufgabe würde daraus bestehen, sich immer wieder einzuklinken und zu prüfen, wie die Mitarbeiter zurechtkommen und vorgehen.
Der Entwicklungsleiter setzte das um. Er definierte seine Rolle als Chef neu, machte Führung zu seiner eigentlichen Aufgabe, indem er sich fragte: „Was kann ich an meine Mitarbeiter abgeben?“ Und heute behält er selbst den Überblick über alle fünf Projekte.
Milliardenunternehmer Richard Branson formulierte:
«Nur wer Aufgaben abgibt, kann mit seinem Unternehmen wachsen. Denn auch wenn das für viele Unternehmer eine unglaubliche Vorstellung ist: Man kann nicht alles selbst machen – und muss auch mal die Kontrolle abgeben.»
Die zwei Schlüssel für erfolgreiches Delegieren
Der erste Schlüssel: Wechseln Sie die Perspektive – vom Experten zur Führungskraft. Nicht wenn Sie selbst, sondern wenn Ihre Mitarbeiter eine Aufgabe fachlich gut ausführen, erhalten Sie Anerkennung. Und der zweite Schlüssel lautet: «Loslassen und Vertrauen lernen!» Übertragen Sie ihnen Verantwortung und sorgen Sie dafür, dass jeder das tun kann, was seinen Fähigkeiten am besten entspricht. Das braucht am Anfang Zeit, aber es lohnt sich.
Effizienter delegieren: Wertvolle Fragen, Top Checklisten
Entdecken Sie jetzt wertvolle Ideen und Lösungsansätze, wie Sie in Zukunft effizienter, präziser und damit erfolgreicher delegieren können!
- Sechs «W-Fragen» beantworten, um Delegationsauftrag präzise zu formulieren
- Delegieren-Checkliste für mehr Effizienz
Die sechs «W-Fragen»
Um erfolgreich zu delegieren, brauchen Sie einen klaren Delegationsauftrag. Im Führungskräfte-Coaching hat es sich bewährt, dazu die folgenden sechs »W-Fragen» zu beantworten.
- Was?
Definieren Sie die Aufgabe, die Sie delegieren wollen. Generell sollten Sie zwischen einmaligen und wiederholenden Aufgaben unterscheiden. Delegieren lohnt sich vor allem bei wiederholt anfallenden Aufgaben. - Wer?
Auch wenn Sie selbst der „Beste“ sind. Fragen Sie sich: Gibt es jemand, der die Aufgabe genauso gut oder sogar noch besser machen könnte?
Stellen Sie fest, welche Anforderungen die Aufgabe stellt und welche Qualifikationen sie erfordert. Überlegen Sie dann, wer aus Ihrem Team der Richtige für den Job sein könnte. - Warum?
Klären Sie Ihre Motivation: Warum möchten Sie diesen Mitarbeiter mit der Aufgabe betrauen? Spielen neben fachlichen auch soziale Aspekte eine Rolle für die Delegation? Was halten Sie von dem Mitarbeiter, welche Erfahrungen haben Sie mit ihm gemacht? Was genau erwarten Sie von ihm? - Wie?
Legen Sie fest, welche Befugnisse der Mitarbeiter erhält, welche Vorgaben er einhalten muss und wie oft Zwischengespräche stattfinden sollen. Erläutern Sie ihm nun die Aufgabe und das Ziel.
Wenn Sie eigene Erwartungen und Vorstellungen haben, sollten Sie diese jetzt Fragen Sie dann nach den Vorstellungen des Mitarbeiters: Wie möchte er im Rahmen der Delegation vorgehen? Definieren Sie schließlich den Spielraum, den der Mitarbeiter bei der Ausführung der delegierten Aufgabe bekommt: Welche fachliche Verantwortung und welche Befugnisse erhält er?
Achtung, wenn Sie eine Aufgabe an einen Teamleader und sein Team delegieren!
Geben Sie allen Mitarbeitern die Möglichkeit, sich einzubringen. Achten Sie darauf, dass der Teamleader für neue Ideen, die aus seiner Mannschaft kommen, offen ist und dass individuelle Stärken seiner Mitarbeiter ausgespielt werden können. Es geht darum, das Problem gemeinsam zu lösen. - Womit?
Gemeinsam mit dem Mitarbeiter überlegen Sie, welche Hilfsmittel, Unterlagen oder andere Unterstützung er für die Umsetzung seiner Aufgabe braucht. - Wann?
Legen Sie fest, bis wann die Aufgabe erledigt sein muss. Besprechen Sie den Zeitplan – und bestimmen Sie den Endtermin sowie Termine für Zwischengespräche.
Fragen beantwortet? Auftrag formuliert? Aufgabe offiziell delegiert? Dann können Sie sich wieder auf Ihre Führungsaufgaben konzentrieren: präsent bleiben, ansprechbar sein, Entscheidungen treffen und den Rahmen liefern, innerhalb dessen Ihr Mitarbeiter oder das Team die Aufgaben wirksam umsetzen können.
Delegieren-Checkliste für mehr Effizienz
Arbeitsbelastung und der Umgang damit sind für die meisten Leistungsträger wiederkehrende Themen. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, im Coaching eine individuelle Checkliste zu entwickeln, die auf einer genauen Analyse des jeweiligen Arbeitsalltags beruht. So können sich die Führungskräfte die persönlichen „Fallstricke“ und entsprechenden Prioritäten bewusst machen. Delegieren ist dabei ein wichtiger Faktor.
Das System basiert auf meinem Rollenmodell für Führungskräfte.
1 x pro Woche 1 Stunde Zeit einplanen für 5 Leitfragen
Die Leitfragen variieren je nach Rolle, Funktion und Aufgabe. Zum Beispiel könnten Sie sich fragen:
- Was ist das Wichtigste innerhalb der nächsten Zeit, z.B. in zwei oder sechs Monaten?
- Was ist meine Rolle – wofür werde ich bezahlt (um sich immer wieder zu fokussieren und sich vor möglichen Verzettelungsanfällen zu schützen)?
- Was kann ich delegieren?
- Was sind die nächsten Ziele, Prioritäten?
- Wo sind mögliche Risiken, auf die ich vorbereitet sein sollte?
Pro Woche vier bis sieben Stunden für Vor- und Nachbereitung blockieren
Diese Zeit ist individuell einzuplanen und „zu verteidigen“ – und zwar konsequent!
Delegationszeit einplanen
Es braucht Zeit, Aufgaben zu delegieren. Der Delegationsauftrag muss präzisiert werden. Mitarbeiter sind nicht permanent verfügbar oder haben Fragen, für die Sie sich Zeit nehmen müssen. Zwischengespräche müssen geführt und die Ergebnisse gesichtet und bewertet werden. Wichtig: je besser Sie lernen zu delegieren, umso mehr Freiraum haben Sie für die eigentlichen Führungsaufgaben.
Mindestens 2 x pro Woche Refokussierungs-Zeit
Sinnieren, Dinge sacken lassen, über anstehende Projekte nachdenken. Am besten funktioniert das allein, beim Joggen oder in der Badewanne, auf jeden Fall in entspanntem Zustand. Meistens kommt dabei nichts Konkretes heraus. Aber um wieder auf „normal Null“ zu kommen, sind diese kleinen Auszeiten extrem wichtig.
1 x pro Monat Auszeit für Reflexion nehmen
Ein Klient formulierte das mal so: Es ist wichtig, ab und an aus dem Aquarium auszusteigen und sich das Treiben mal von außen anzuschauen. Das verhilft zur nötigen Distanz. Gönnen Sie sich diese Phasen der bewussten Reflexion der eigenen Rolle und Ihrer Aufgaben.
Aufgaben delegieren – das Fazit per Video
Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern und delegieren Sie. Nur so können Sie das volle Potenzial Ihrer Leute nutzen, ein erfolgreiches Team aufbauen und mit vereinter Kraft die gesteckten Ziele erreichen. Je mehr und besser Sie delegieren, umso mehr Zeit finden Sie für Ihren eigentlichen Job als Führungskraft: Ihre Mannschaft zu guten Ergebnissen zu führen!
Sie hören lieber?
Hier geht es zur passenden Episode in meinem Podcast „Leben an der Spitze“:
Delegieren von Aufgaben – so geht’s richtig | RAUS AUS DEM HAMSTERRAD #186
Herzliche Grüße
Gudrun Happich
Bilder: Depositphotos #61504029 ©ginasanders, #16844147 ©photography33