Führungsqualität muss spürbar sein!
Vor einigen Tagen habe ich in der Online-Ausgabe des Handelsblattes ein tolles Interview mit Heiner Thorborg gelesen. Hier zum Nachlesen.
Während er als Personalberater erfolgreiche Leute an die Spitze vermittelt, begleite ich als Führungskräfte-Coach Top-Leute nach ganz oben. Dass wir aus diesen unterschiedlichen Perspektiven heraus zu ganz ähnlichen Schlüssen kommen, was die Do`s und Dont´s von aufstrebenden Führungskräften angeht, finde ich sehr spannend.
Was also sind die Qualitäten, die man mitbringen sollte, wenn man ins Top-Management möchte?
Zunächst mal: Man sollte kein Mainstream-Typ sein. Ecken und Kanten schaden nicht, sondern formen eine charismatische Führungspersönlichkeit. In meinen Führungskräfte-Coachings stelle ich fest: Die allermeisten Leistungsträger haben etwas sehr spezielles, einzigartiges an sich. Dies ist um ein vielfaches wichtiger als Titel wie MBA oder Dr., die allenfalls eine nette Beigabe sind. Ohne Titel kann man heute aufsteigen, ohne eine überzeugende Persönlichkeit ist das kaum möglich.
Was macht jemanden zu einer Persönlichkeit? Authentizität ist ganz wichtig. Wer sich dauernd verbiegt und eine Rolle spielt, der kann kein wirklicher Leistungsträger mit Passion sein. Dann: Kommunikationsstärke – und Selbstkritik. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass man nicht immer siegen kann. Diese ist leider bei vielen Top-Managern noch Mangelware, wird aber in der Zukunft noch viel mehr an Bedeutung gewinnen. Meiner Einschätzung nach befinden wir uns in einer Phase des Übergangs zur modernen Führungskultur und zum Social Leadership. Während aktuell Führungskräfte noch einseitig nach ihrer fachlichen Qualifizierung ausgewählt werden, werden künftig die sozialen Kompetenzen wie eben Kritikfähigkeit an Bedeutung gewinnen.
Diese Führungsqualitäten können kaum über Eignungstests abgefragt werden, sondern müssen spürbar sein. Sie sind das, was zwischen den Zeilen steht. Deshalb muss ein guter Executive Coach – genauso wie ein guter Personalberater – über ein sehr gutes Einfühlungsvermögen und Gespür für Menschen verfügen. Leider gibt es immer noch viele Menschen, die völlig beratungsresistent sind. Damit schaden sie vor allem sich selbst. Sie nehmen Jobs und Aufträge an, die nicht zu ihnen passen, sind dauer-überfordert oder spielen permanent eine Rolle fernab der eigenen Identität.
Damit sind wir auch schon bei den Dont´s von Top-Führungskräften und solchen, die es werden wollen. Neben der Beratungsresistenz gehören dazu Überheblichkeit und Unzugänglichkeit. Abheben – das tun meist nicht die, die es sich leisten könnten, die wahren Leistungsträger, sondern jene, die sich selbst völlig überschätzen.
Gut gefällt mir auch am Interview mit Heiner Thorborg, dass er das Thema „Frauen in der Führungsetage“ rausholt aus der Empörten-Gerechtigkeitsecke. Dort ist es, wie ich finde, nicht gut aufgehoben und erweist den Frauen einen schlechten Dienst. Viel klüger ist es doch, die Sache ganz pragmatisch anzugehen: Wir brauchen eine Mischung der Geschlechter an der Spitze, schlicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen.
Und noch ein Rat an die Führungs-Frauen zum Schluss: Authentizität gehört zu den wichtigsten Qualitäten auf dem Weg an die Spitze. Kopieren Sie nicht die Männer und werden Sie nicht ein besserer Mann, sondern bleiben Sie wie Sie sind und feilen Sie an Ihrer Einzigartigkeit.
Ihre Gudrun Happich