Authentische Führung: Haben Sie das Zeug zur authentischen Führungspersönlichkeit?
Immer häufiger formulieren meine Klienten: „Ich möchte authentisch führen!“ – Ich möchte eine authentische Führungspersönlichkeit sein. Immer und in jeder Situation.“ Geht das überhaupt? Und wenn ja – wie gelingt es IHNEN authentisch zu führen? In diesem Beitrag lesen Sie,
- welche Eigenschaften authentische Führung auszeichnen,
- warum Authentizität in der Karriere als bedeutend empfunden wird,
- inwiefern „Authentizität“ auch ein Vorwand sein kann und
- worin der Schlüssel zu authentischer Führung liegt.
Authentische Führung: Definition und Charakteristika
Authentische Führung ist zwar in aller Munde. Was genau es heißt, wirklich authentisch zu führen, ist aber für viele Top-Manager nicht gerade offensichtlich. Zum Einstieg will ich mich daher zunächst dem Wort „Authentizität“ nähern und daran anschließend die Charakteristika einer authentischen Führung in den Blick nehmen.
Was heißt eigentlich „authentisch“?
Bevor ich mich hier auf eine Grundsatzdebatte einlasse, konsultiere ich zunächst lieber mal Wikipedia. Hier steht zu authentisch:
„…sich gemäß seinem wahren Selbst, d. h. seinen Werten, Gedanken, Emotionen, Überzeugungen und Bedürfnissen auszudrücken und dementsprechend zu handeln, und sich nicht durch äußere Einflüsse bestimmen zu lassen (Harter, 2002)“.
Weiter ist zu lesen, dass sich eine Person immer dann als authentisch, erlebt wenn sie
- sich ihrer selbst bewusst ist (also ihre Stärken, Schwächen und Motive kennt),
- sich selbst gegenüber ehrlich ist,
- konsequent gemäß ihren Überzeugungen handelt und
- anderen gegenüber aufrichtig ist, sich also nicht versucht zu verbiegen.
Was macht authentische Führung aus?
Wenn ich darüber nachdenke, wen ich in Führungspositionen kenne und als authentisch erlebe, also als Chef wahrnehme, der authentisch führt, dann kommen mir – durchaus anschließend, an die oben genannten Authentizitätskriterien – folgende Eigenschaften in den Sinn:
- Die Person handelt im Einklang mit ihren inneren Überzeugungen.
Das heißt, sie weiß genau, auf welcher Grundlage sie ihre Entscheidungen trifft. Das führt dazu, dass sie diese auch entsprechend vertreten kann. Sie argumentiert dann aus der Sicherheit heraus, voll und ganz hinter dem jeweiligen Vorschlag oder Produkt zu stehen. Sie muss nicht die Vorgaben von jemand anderem erfüllen, sondern setzt ihre eigenen Maßstäbe. Dabei ist sie in ihrer Kommunikation klar und im Verhalten konsequent. Statt aufbrausend wirkt sie souverän. - Die Führungskraft „steht“ für etwas.
Das bedeutet, sie kennt ihren Wert für das Unternehmen und erlaubt sich bisweilen auch, mal unbequem zu sein, wenn es der Sache dient. Das macht sie erkennbar, sie hat Profil. Wer Kontur zeigt, hebt sich automatisch von der breiten Masse ab. Menschen mit Charisma sind oft sehr authentisch, denn sie kennen ihre Stärken und können sie auch ganz gezielt einsetzen. - Wer authentisch führt, hat meist guten Zugang zu seinen Emotionen und damit auch zu seiner Intuition.
Wie wir heute wissen, sind Gefühle sehr stark an unseren Entscheidungen beteiligt. Wenn eine Führungskraft gelernt hat, den eigenen Wahrnehmungen zunächst einmal zu vertrauen, hat sie einfach eine weitere Ressource zur Verfügung, um gute Entscheidungen treffen zu können. - Authentische Menschen ruhen in sich selbst.
Sie sind daher oft auch auf der emotionalen Ebene ansprechbar. Das heißt, sie sind in der Lage, sich auf die Perspektiven anderer Menschen einzulassen, zuzuhören, neue Sichtweisen einzunehmen. Das schafft Vertrauen, und Vertrauen hilft dabei, eine kooperative Führungskultur zu etablieren. - Authentisch führen heißt Macht und Einfluss immer zum Wohl Aller zu nutzen.
Für authentische Führungspersönlichkeiten sind Macht und Einfluss nie Selbstzweck, sondern immer Mittel, um etwas in ihrem Sinne zu bewegen. Sie haben meist klare Vorstellungen davon, was sie gestalten möchten und was dafür notwendig ist, und sie nutzen ihre Möglichkeiten, um das auch durchzusetzen. - Wer authentisch führt, erhält Respekt und Wertschätzung.
Schlussendlich erkennt man authentische Führungspersönlichkeiten daran, dass ihnen allseits großer Respekt und viel Wertschätzung entgegen gebracht wird. Und das ist wohl die Folge ihres authentischen Verhaltens.
So wichtig ist Authentizität in der Karriere
Vor einiger Zeit startete ich eine Umfrage zum Wert von Authentizität in der Karriere. Ein deutliches Ergebnis war, dass viele sich zumindest wünschen, mehr Authentizität im Beruf zu leben – authentisch zu führen.
Der Aussage „Authentizität ist mir im Zweifel wichtiger als ein Vorstandsposten“ stimmten 76,1% aller Teilnehmer absolut zu, dicht gefolgt von 72,8% für die Aussage „Wenn ich nicht authentisch agieren kann, wirkt sich das negativ auf meine Lebensqualität aus“.
Es zeigt sich damit deutlich, dass bei der Mehrzahl der Teilnehmenden der Wert Authentizität ziemlich weit oben angesiedelt ist – theoretisch zumindest. Der Wunsch nach Authentizität ist ja auch ein maßgeblicher Motor für Lebensqualität, Work-Life Balance, Leistungssteigerung, usw. Agiere ich authentisch, führe ich authentisch, hat das bei diesen Themen meist positive Auswirkungen – tue ich das nicht, sind die Folgen meist eher negativ.
„Authentische Führung“ als willkommener Vorwand?
Für das Umfeld wirkt eine authentische Person insgesamt „echt“. Der Betrachter nimmt sie als ehrlich, stimmig, urwüchsig, unverbogen, ungekünstelt wahr. Dabei muss es sich nicht um die realen Eigenschaften des Betrachteten handeln. Allein die WIRKUNG entscheidet. Manchmal formuliere ich es auch so: Mein Gegenüber wirkt auf mich klar, sprich ist mit sich und der Rolle im Einklang. Eine Führungskraft kann sich allerdings auch selbst als authentisch wahrnehmen, nach außen hin aber ganz und gar nicht so wirken.
Ein Beispiel: Bereichsleiter Meier regt sich über einen Mitarbeiter auf. Er schreit ihn an und verlangt sofort Besserung vom Mitarbeiter. Auf sein Verhalten angesprochen entgegnet er „Ich weiß gar nicht was ihr habt. Ich war sauer, ich habe meinen Gefühlen freien Lauf gelassen. Ich habe authentisch geführt!“
Basta! Geht’s Ihnen auch so – die Forderung nach Authentizität nimmt zu. Man solle authentisch sein, wird von allen gefordert. Man will authentisch führen – der eigene Anspruch. Aber ganz ehrlich: Ist das authentisch, wenn ich meinen Mitarbeiter anraunze? Ist das nicht eher ein Alibi, mich so zu verhalten, wir mir gerade ist, impulsgesteuert – oder noch drastischer auf den Punkt gebracht: Sich verhalten, wie die Axt im Walde und nachher sagen „ich war authentisch?“
Authentisch führen: Stimmigkeit ist der Schlüssel
Es gibt viele Leute, die sich selbst als authentisch erleben (siehe Bereichsleiter Meier) aber nun überhaupt nicht authentisch wirken. Mir ist mittlerweile der Begriff „Authentizität“ auch zu hoch beladen. Und an vielen Stellen wird er eher „missbraucht“. Authentizität und authentische Führung wird so langsam zu einem Buzzword. Daher nutze ich lieber das Wort „stimmig“. Aus meiner Sicht ist dies viel leichter zu verstehen und in den Alltag umzusetzen.
Machen Sie sich eins bewusst: Als Führungskraft haben Sie gleichzeitig viele verschiedene Rollen. Nicht nur beruflich und privat. Alleine wenn Sie Führungskraft sind, z.B. Bereichsleiter, haben Sie zwar EINE Positionsbezeichnung, aber gleichzeitig viele unterschiedliche Rollen. Waren Sie sich dessen bewusst? Manche Konzepte sprechen von 3 Rollen, manche von 8 Rollen. Nur um ein paar Begriffe zu nennen:
- Die Führungskraft als Innovator
- Die Führungskraft als Vermittler
- Die Führungskraft als Produzent
- Die Führungskraft als Regisseur
- Die Führungskraft als Mentor
- Die Führungskraft als Facilitator
- Die Führungskraft als Kontrolleur
- Die Führungskraft als Koordinator
(Rollen einer Führungskraft nach Robert Quinn)
Zu jeder einzelnen Rolle gibt es Erwartungen und Spielregeln, die sich z. T. diametral widersprechen. Nehmen wir einmal die Rolle „Führungskraft als Mentor“. Hier zählt zu Ihren Aufgaben Ihre Mitarbeiter zu entwickeln, sie zu unterstützen. In dieser Rolle wirken Sie stimmig, wenn Sie empathisch sind, ein guter Zuhörer, der den Mitarbeitern viel Gestaltungsspielraum lässt.
Bei der Rolle „Führungskraft als Kontrolleur“ sammeln und verteilen Sie detaillierte Informationen, prüfen Leistungen und bearbeiten schriftliche Vorgaben. Als Kontrolleur sind Sie ein guter Analytiker und lösen gerne logische Probleme. Sie wirken stimmig, wenn Sie klar auf den Punkt Anweisungen aussprechen und für Umsetzung sorgen. Sie wirken unecht, wenn Sie jetzt mitfühlend, zuhörend sind und vor allen Dingen, den Mitarbeitern die Freiheit geben, ob sie ihre Aufgaben jetzt umsetzen oder nicht.
Eine stimmige Rolle wirkt authentisch
Obwohl Sie dieselbe Führungspersönlichkeit sind, und Sie sich möglicherweise selbst als authentisch wahrnehmen, hat Ihr Umfeld einen anderen Blick: Ihr Umfeld achtet auf die Rolle, in der Sie sich als Führungskraft gerade befinden. Erlebt Ihr Umfeld Sie als „stimmig in Ihrer Rolle“ wird man formulieren „Herr/Frau xy führt authentisch“. Ihr Umfeld schaut i.d.R. auf Ihr Verhalten und darauf, wie es auf sie wirkt. So können Sie als Kontrolleur authentisch führen, obwohl Sie sich komplett anders verhalten als in der Rolle des Motivators, und auch dort können Sie authentisch führen.
Fazit: Authentische Führungskräfte werden respektiert und geschätzt
Wollen Sie authentisch führen, müssen Sie sich sowohl selbst als authentisch erleben als auch auf Ihr Umfeld authentisch wirken.
Leichter ist es, wenn Sie dabei die unterschiedlichen Rollen beachten, in die Sie permanent schlüpfen. Ist Ihr Verhalten der Rolle entsprechend „stimmig“, dann wird Ihr Verhalten vom Umfeld als authentisch, sprich „echt“ wahrgenommen. Sie führen authentisch und werden sehr wahrscheinlich mit Respekt und Wertschätzung belohnt.
Woran machen Sie authentisches Führungsverhalten fest? Wie immer bin ich sehr interessiert an Ihren Kommentaren und Impulsen.
Herzliche Grüße
Gudrun Happich
PS: Sie möchten sich nicht mehr verbiegen und endlich authentisch führen, finden aus alten Führungsmustern aber nur schwer heraus? Schreiben Sie mir unter info@galileo-institut.de – und wir lösen den Knoten gemeinsam!
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